München baut keinen neuen Konzertsaal

Mariss Jansons
Mariss Jansons(c) ORF (ALI SCHAFLER)
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Eine Reihe prominenter Künstler hat zuletzt Stimmung für einen Neubau gemacht. Sie sprechen von „Wortbruch“ und „katastrophaler Entscheidung“.

„Der ferne Klang“, so heißt eine Oper von Franz Schreker. Irgendwie scheint der „ferne Klang“ auch das geheime Motto der bayerischen Kulturpolitik zu sein. Jedenfalls ist keine Metropole, die auf sich hält, so weit davon entfernt, ihrem Klassikpublikum einen Konzertsaal mit exzellenter Akustik zu bieten wie München.

Das wird sich so schnell auch nicht ändern, wie es scheint, denn vergangene Woche fiel eine folgenschwere Entscheidung des Ministerpräsidenten: Die langen Verhandlungen über die Frage, ob ein neuer Konzertsaal gebaut werden soll, sind beendet. Die Antwort ist: nein.

Eine Reihe prominenter Künstler hat zuletzt Stimmung für einen Neubau gemacht, am vehementesten Mariss Jansons, Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Dieses braucht dringend eine adäquate Heimstätte, ist es ihm doch gelungen, unter dem Chefdirigenten Jansons und seinem Vorgänger Lorin Maazel an die Spitze der weltweiten Orchester-Rankings zu gelangen; selbst die Berliner Philharmoniker haben manche Kenner zuletzt hinter die Bayern gestuft. Allein: Daheim musiziert das Orchester in der akustisch ungenügenden Philharmonie am Gasteig oder im zu kleinen Herkulessaal der Residenz.

Das Haus am Gasteig: Eine Totgeburt

Die Münchner Misere ist alt. Die Errichtung der Philharmonie war ein dringendes Gebot, doch schlug man damals alle Warnungen der Akustiker in den Wind und beharrte auf dem Grundstück am Gasteig, dessen Grundriss schon vorab gegen einen Konzertsaal der nötigen Größe sprach, wie Fachleute unkten.

Sie sollten recht behalten. Seit der Eröffnung weiß man: Das Haus am Gasteig ist eine Totgeburt. Nun soll es nach dem Willen der Münchner Politik entkernt und in der bestehenden Hülle ein völlig neuer Saal gebaut werden. Das Grundproblem wird dadurch nicht beseitigt und die Münchner Orchester sind während der Bauzeit völlig heimatlos. „Katastrophale Fehlentscheidung“ und „Wortbruch“ tönt es aus den Agenturen: Künstler, voran Stars wie Anne Sophie Mutter, toben.

Dass Jansons zuletzt sogar seine zweite Chefdirigentenstelle (beim Concertgebouw in Amsterdam) aufgegeben hat, um sich ganz den Bayern zu widmen, wirkt nun wie ein Hohn des Schicksals, könnte aber die Entscheidungsfindung in Berlin beeinflussen: Dort sucht man einen Nachfolger für Simon Rattle und schwankt zwischen jugendforschem Aufbruchsgeist und künstlerischer Konsolidierung mit einem erfahrenen Maestro. Was letztere Variante betrifft: Mariss Jansons ist auch an der Spree sehr populär... (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2015)

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