Der Aufstieg des Populisten mit dem Kehrbesen und Modis Entzauberung

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INDIA SAVE THE DAUGHTER CAMPAIGN(c) APA/EPA/Press Information Bureau (Press Information Bureau of the)
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Nach dem Triumph des Korruptionsbekämpfers Kejriwal bei der Regionalwahl in Delhi gilt Premier Modi als angeschlagen. Er muss nun seine Reformen beschleunigen.

Neu Delhi. Neun Monate nach seinem überragenden Wahlsieg bei den Parlamentswahlen in Indien muss Premierminister Narendra Modi auf seine erste Niederlage reagieren. Der am Dienstag verkündete Sieg der Aam Aadmi Party (AAP), der Partei des Kleinen Mannes, bei den Regionalwahlen in Delhi hat der Opposition Aufwind verschafft und setzt Modis hindu-nationalistische Partei, BJP, gehörig unter Druck. Letztere erlangte nur drei Sitze in der Vertretung der Hauptstadt – die AAP kam auf ganze 67 von insgesamt 70 Sitzen.

AAP-Gründer Arvind Kejriwal erklärte nach der Wahl: „Ich bin ein Ministerpräsident des Volkes.“ Für den 53-jährigen Maschinenbauingenieur und Aktivisten war es der zweite Anlauf für das Amt des Regierungschefs von Delhi. Im Dezember 2013 war er schon einmal mit Unterstützung der Kongresspartei zum Ministerpräsidenten gewählt geworden. Nach nur 49 Tagen im Amt trat er zurück, weil sein Antrag auf ein Antikorruptionsgesetz gescheitert war.

Premier Modi war bis zur Wahl in Delhi auf einer Erfolgswelle geschwommen. Mit Versprechungen wie dem Bau von 100 Smart Citys, der Säuberung des Ganges-Flusses und der Eröffnung von Bankkonten für jeden Bürger war er auch bei nachfolgenden Landtagswahlen erfolgreich. Und auch in Delhi schien ein Sieg der BJP zunächst möglich. Modi engagierte sich höchstpersönlich in der Kampagne. Nach der Wahlschlappe kommentierten die Medien: „Der Honeymoon für Indiens Regierungschef ist vorbei.“

Die neue Regierungspartei in Delhi ist aus der Antikorruptionsbewegung des Gandhi-Anhängers und Bürgerrechtlers Anna Hazare hervorgegangen. Das AAP-Parteiemblem zeigt einen groben Kehrbesen aus Reisig und soll damit nicht nur Volksnähe demonstrieren, sondern symbolisch für das oberste Ziel der Partei stehen: die indische Gesellschaft von allem Schmutz – vor allem von der weitverbreiteten Korruption und Bestechung – zu reinigen. Im Gegensatz zu den anderen Parteien setzt die AAP nicht auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Kasten oder Bevölkerungsgruppen, sondern wendet sich an alle Gesellschaftsschichten.

Nach einem Jahr harter Arbeit an der Basis scheint Parteichef Kejriwal nun geläutert. Nach Bekanntgabe der Ergebnisse entschuldigte er sich für den überstürzten Abgang nach seiner ersten Wahl, 2013.

Sein Comeback gelang Kejriwal vor allem durch Wahlversprechen, die sich auf die Lösung alltäglicher Probleme beziehen: Der Strom soll um die Hälfte billiger werden, Wasser ständig verfügbar, Bildung und Erziehung der Kinder für alle leistbar sein. Vor allem versprach Kejriwal eine gnadenlose Antikorruptionspolitik.

Gratulation über Twitter

Modi gratulierte dem Wahlsieger über Twitter. Er hatte den Menschen in dem 1,2-Milliarden-Einwohner-Land angekündigt, Arbeit zu schaffen, die Infrastruktur auszubauen und die Korruption zu bekämpfen. Bisher sind seine Reformvorhaben aber nur schleppend umgesetzt worden. Die hunderten Millionen Armen im Land beschweren sich, dass sie nach wie vor am Aufschwung Indiens kaum teilhaben. Die Wahl in Delhi galt auch als Stimmungstest für Modi. Er muss seine Versprechen nun erfüllen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

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