Physik: Die Sonne im Labor

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In den USA kann eine riesige Maschine zur kontrollierten Kernfusion mit der Arbeit beginnen.

Rezept für einen kleinen Stern: Nehmen Sie eine hohle Plastikkapsel von etwa zwei Millimetern Durchmesser (das ist ungefähr die Größe einer kleinen Erbse). Füllen Sie sie mit 150 Mikrogramm (weniger als ein Millionstel eines Pounds (453 Gramm)) einer Mischung von Deuterium und Tritium, den beiden schweren Isotopen von Wasserstoff. Nehmen Sie einen Laser, der für 20 Milliardstelsekunden 500 Billionen Watt erzeugt – das ist das Äquivalent von fünf Millionen Millionen 100-Watt-Birnen. Fokussieren Sie das auf die Kapsel. Resultat: ein Miniaturstern.“

So launig beschreibt die National Ignition Facility (NIF) im Lawrence Livermore Laboratory in Kalifornien, wie sie die Sonne auf die Erde holen will (http://lasers.nlnl.gov).Klein ist die Küche nicht – zehn Stock hoch auf der Fläche von drei Fußballfeldern –, billig war sie auch nicht – 3,5 Milliarden Dollar –, aber nun ist sie betriebsbereit, nach zwölf Jahren Bauzeit hat das Energieministerium am Dienstag die Anlage freigegeben, ab Juni sollen erste Tests laufen.

Dann wird sich zeigen, ob alles so funktioniert wie im Kochbuch oder eben auf einem Stern wie der Sonne: Sie verbrennt in Kernfusion, bei der Wasserstoff zu Helium verschmilzt. Das kann man auf der Erde auch, die H-Bombe funktioniert so, auch sie wurde einst im Lawrence Livermore entwickelt – Edward Teller –, das ist der militärische Hintergrund des NIF. Er war bei den Eröffnungsansprachen kaum zu hören, heute rückt man die mögliche zivile Nutzung in den Mittelpunkt: Kernfusion ist eine der Hoffnungen für die Energieversorgung der Welt.

Das ist sie allerdings seit über 50 Jahren, Kritiker ersannen deshalb die „Fusionskonstante“, sie dauert 50 Jahre: In den 50er-Jahren wollte man in dieser Frist die Kernfusion kontrollieren und aus ihr Energie ziehen können, in den 90er-Jahren sollte es immer noch bzw. wieder 50 Jahre dauern.

Das liegt an den technischen Tücken: Um die Wasserstoffkerne zur Fusion zu bringen, braucht es enorme Temperaturen und Drücke – die Kerne haben die gleiche Ladung, sie stoßen einander ab –, die Sonne macht das mit 15,6 Millionen Grad und ihrer Gravitation. Deren Druck ist auf der Erde nicht erzeugbar, hier muss mit hunderten Millionen Grad gearbeitet werden. Denen hält kein Material stand, deshalb soll das Plasma – das heiße ionisierte Gas – in Fusionsreaktoren mit Magneten gebändigt werden. Das ist das eine Problem, das zweite ist die Energie: Bei allen bisherigen Tests musste mehr hineingesteckt werden. Gelöst werden sollen beide mit ITER, einem von der halben Welt finanzierten Versuchsreaktor, dessen Bau heuer im französischen Cadarache beginnen und zehn Jahre dauern soll.

Weltstärkster Laser

Die NIF setzt auf einen anderen Weg: laserinduzierte Trägheitsfusion. Die kleinen Kapseln sollen ihr Plasma durch ihre Massenträgheit selbst zusammenhalten (ohne Magnete). Die zur Zündung nötige Energie kommt von 192 Lasern – zusammen sind sie die weltstärksten –, die auf die Kapsel halten und zunächst die äußerste Wasserstoffschicht abdampfen. Dieses Plasma dehnt sich mit 100 Kilometern pro Sekunde aus und komprimiert mit seinem Rückstoß das Kügelchen auf ein Fünfzigstel seiner Größe, dann verschmelzen die Kerne.

Wenn es funktioniert. Als es um die militärische Nutzung ging, gab es hitzige Debatten: Das Projekt entstand, nachdem Bombentests verboten wurden und man Alternativen zum Prüfen der Bombenbestände und zum Entwickeln neuer Bombendesigns suchte, die NIF sollte das leisten. Viele trauten es ihr nicht zu, selbst Befürworter schätzten die Chancen auf ein Funktionieren kaum höher als 50:50 (Science, 277, S.304). So ähnlich scheint es NIF-Direktor Edward Moses heute zu sehen: „Now the proof is in the shooting.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2009)

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