Russland/USA: Swift-Entzug als „Atomwaffenoption“

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US-Senatoren drängen Obama, Russland vom internationalen Zahlungsverkehr abzuschneiden. Nichts könnte Putin härter treffen. Was wären die Folgen?

Wien. Das Rückgrat des internationalen Zahlungsverkehrs liegt in La Hulpe, einer beschaulichen Kleinstadt in Belgien. Dort ist der Finanzdienstleister Swift zu Hause, über dessen Datennetzwerk 10.000 Banken weltweit ihre standardisierten Informationen austauschen. Ohne diese Kommunikationsplattform läuft grenzüberschreitend keine Überweisung und keine Wertpapiertransaktion. Auch mit Russland. Nun fordern zwei US-Senatoren, als Reaktion auf die gebrochene Waffenruhe in der Ostukraine, Putins Reich von den Konten dieser Welt abzuschneiden.

Freilich: Einer der beiden Republikaner ist der Scharfmacher John McCain, der gegen Moskau aus allen Rohren schießt. Aber er ist nicht der Erste, der die Swift-Waffe in Stellung bringt. Schon im Vorjahr haben Großbritannien und das EU-Parlament ihren Einsatz gefordert. Die Senatoren machen Druck auf Obama. Der US-Präsident hat versprochen, die Kosten für Russland so lange in die Höhe zu treiben, bis Putin einknickt. Die ultimative Wirtschaftssanktion wäre der Swift-Entzug. Unter russischen Bankern heißt sie die „Atomwaffenoption“. Was hätte sie für Folgen? Zunächst wären die Reichen Russlands betroffen, weit mehr als von einzelnen Kontosperren oder Einreiseverboten. Denn ohne Swift können sie ihr anonymes Vermögen im Ausland kaum noch kontrollieren und verwalten.

Putin „Reichster der Welt“?

Für den Fondsmanager Bill Browder ist übrigens Putin selbst „der reichste Mann der Welt“, mit einem geschätzten Vermögen von 200 Mrd. Dollar. Das mag schwer übertrieben sein (Bill Gates, die offizielle Nummer eins, hat „nur“ rund 80 Mrd.). Aber der Chef von Hermitage Capital sollte eigentlich Bescheid wissen: Bis 2005, als er zur Persona non grata des Kremls mutierte, war er ein enger Vertrauter des russischen Präsidenten in Finanzfragen. Fest steht, dass Putin und sein Hofstaat einiges an Schätzen im Ausland angehäuft haben – in Immobilen, Konten und Aktien.

Vor allem aber würde ein Swift-Stopp die Banken abnabeln. Aus Angst davor hat Russland am Mittwoch eine Alternative zu Swift gestartet. Aber solange die belgische Genossenschaft (im Besitz der Banken) die Zusammenarbeit verweigert, können die Russen damit nur Inlandsgeschäfte abwickeln.

Es sei denn, sie bekommen zumindest die Chinesen ins Boot. Fällt das Swift-Monopol, dann verliert der Westen eine Waffe, die er schon 2012 gegen den Iran eingesetzt hat. Aber Russland ist ein ganz anderer Fall. Sein Bankensystem ist viel enger mit dem des Westens verknüpft, nicht zuletzt durch österreichische Institute. Noch gravierender: Ohne Swift wäre offen, ob Russland überhaupt noch Öl und Gas exportieren kann. Und viele EU-Staaten können unmöglich auf diesen Energielieferanten verzichten. So dürfte die schärfste aller Sanktionen auch in einem anderen Sinn die „Atomwaffenoption“ bleiben: als Drohung in einem neuen Kalten Krieg, im Gleichgewicht des Schreckens. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

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