Türkisch-armenisches Tauwetter irritiert Aserbaidschan

Aserbaidschan
Aserbaidschan(c) Die Presse (Erich Kocina)
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Präsident Alijew bleibt der Konferenz "Allianz der Zivilisationen" in Istanbul fern. Vor einer Versöhnung mit der Türkei müsse Armenien das besetzte Berg-Karabach räumen.

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew bleibt der internationalen Konferenz der "Allianz der Zivilisationen" in Istanbul aus Protest gegen die Annäherung zwischen der Türkei und Armenien fern. Es sei der Türkei und den USA nicht gelungen, Alijew zur Teilnahme an dem vom spanischen Premier José Luis Rodriguez Zapatero und dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan ins Leben gerufenen Forums zu bewegen, berichteten Medien in der Türkei und in Aserbaidschan übereinstimmend am Montag.

Aserbaidschan fordert vor einer Versöhnung mit Armenien dessen bedingungslosen Rückzug aus dem besetzten Berg-Karabach, das völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört. Die "Allianz der Zivilisationen" bemüht sich um eine Verständigung zwischen der westlichen und der islamischen Welt. Aserbaidschan ist muslimisch, Armenien christlich. Am morgigen Dienstag wird US-Präsident Barack Obama bei der Konferenz in Istanbul mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., dem ranghöchsten Würdenträger der orthodoxen Christenheit, und mit islamischen Religionsvertretern zusammentreffen. An dem Treffen sollen eine Reihe von Staatsoberhäuptern und rund 30 Außenminister teilnehmen, unter ihnen Österreichs Ressortchef Michael Spindelegger.

Öffnung der Grenze steht bevor

Die Türkei und die frühere Sowjetrepublik Armenien stehen nach türkischen Berichten kurz vor einer Öffnung ihrer geschlossenen Grenze. Ein entsprechendes Abkommen solle noch im April unterschrieben werden, haben türkische Zeitungen in den vergangenen Tagen berichtet. Um die hauptsächlich von Armeniern bewohnte Enklave Berg-Karabach auf aserbaidschanischem Territorium hatte sich während des Zerfalls der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre ein blutiger Konflikt entzündet. Seit der Waffenruhe 1994 stehen das strittige Gebiet sowie ein Landkorridor nach Armenien unter armenischer Kontrolle. Die Türkei hatte ihre Grenze zu Armenien 1993 als Reaktion auf die Besetzung Berg-Karabachs geschlossen und unterhält traditionell gute Beziehungen mit Aserbaidschan.

Obama hatte in seinem vorjährigen Wahlkampf versprochen, er werde als erster US-Präsident die türkischen Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg unmissverständlich als "Völkermord" bezeichnen. Die Regierung in Ankara hofft laut Medienberichten, mit ihrer Armenien-Tauwetterpolitik Obama davon abzubringen.

Zuletzt waren Teilnehmer der türkischen Internet-Initiative "ozurdiliyoruz.com" zur Aussöhnung mit den Armeniern erneut ins Visier der Justiz geraten. Ein Schwurgericht in Ankara hob eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf, die strafrechtliche Ermittlungen gegen die Initiatoren und Teilnehmer der Initiative abgelehnt hatte. Die Aktion "Özür Diliyorum" (www.ozurdiliyoruz.com) entschuldigt sich öffentlich für die Massaker der Türken an den Armeniern. Seit Jahresbeginn haben sich ihr mehr als 29.000 Unterstützer angeschlossen.

(Ag.)

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