Hans Jörg Schelling: Der Hypo-Aktive

PK FINANZMINISTERIUM 'AKTUELLES ZUR HYPO': SCHELLING
PK FINANZMINISTERIUM 'AKTUELLES ZUR HYPO': SCHELLINGAPA/HELMUT FOHRINGER
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An der Causa Hypo wird man Hans Jörg Schelling messen: vor allem, nachdem er sich mit Erwin Pröll angelegt hat.

Hans Jörg Schelling hat eine Eigenschaft, die für einen Finanzminister eine Tugend ist: Er ist sparsam. Nicht irgendwie sparsam, sondern so sparsam, dass es manchmal schon seine Frau nervt. „Ich fahre nicht zu irgendeiner Tankstelle“, verriet er in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“, „sondern zur günstigsten. Meine Frau lacht schon darüber.“

Es muss für den Sparefroh eine regelrechte körperliche Qual sein, wenn er in seinem Büro in der Wiener Himmelpfortgasse das Budget prüft und sieht, wofür der Bund Geld ausgibt. Oder wenn er, wie kürzlich passiert, ein Schreiben eines Stadtschulrats bekommt, in dem – pronto – um Überweisung von zwölf Millionen Euro gebeten wird. Die nonchalante Begründung: Man habe sich bei den Personalkosten verrechnet.

„Solche Aktionen können ihn ziemlich aufregen“, sagen Personen, die Schelling nahestehen. Nach der anfänglichen „Welchen Baum reiße ich heute aus?“-Mentalität, mit der er die Agenden im Finanzministerium übernommen hat, sei er jetzt eben in den Mühen der Ebene angekommen. „Er hat geglaubt, er kann sofort etwas ändern. Aber dann hat man ihm klargemacht, dass er das erst mit dem ÖVP-Wirtschaftsbund klären muss oder mit dem Arbeitnehmerbund oder mit den Ländern. Ich glaube, er hat sich seine politische Arbeit leichter vorgestellt.“

Schelling lacht über solche Einschätzungen, aber es klingt zustimmend. „Geduld ist nicht meine Stärke“, meint der gebürtige Vorarlberger. „Bei mir muss alles schnell gehen.“ Aber er habe aus der Vergangenheit beim Hauptverband gelernt, dass es überall Klientelpolitik gebe und man auf die Menschen eingehen müsse. „Man kann den Weg nicht allein gehen, man braucht viele, die mitgehen.“

Von ihnen verliert er gerade einige bei der Hypo. Nicht wegen seines Neins zu neuen Milliardenzuschüssen für die Pleitebank. Seine Entscheidung war weder sonderlich überraschend noch sonderlich mutig. Neue Staatshilfen hätten das sofortige Aus für die Steuerreform bedeutet.

Nein, Widerstand bekommt er wegen eines vergleichsweise kleinen Betrags: wegen der 1,2 Milliarden Euro, mit denen die Bundesländer in der Causa hängen. Wenn einmal jemand wie Erwin Pröll in der „Zeit im Bild“ Verständnis für den „kritischen Umgang“ mit dem Finanzminister zeigt, ist Feuer am Dach. Denn außer dem niederösterreichischen Landeshauptmann und anderer Landesfürsten geht niemand kritisch mit Schelling um, alle loben ihn für die Entscheidung. Aber in der ÖVP genügt es üblicherweise, wenn der Hausherr in St. Pölten unzufrieden ist. Das bedeutet harte Zeiten.

Der Finanzminister antwortet diplomatisch: „Ich sehe das nicht so. Ich habe ein gutes Einvernehmen und einen sehr korrekten Umgang mit Erwin Pröll und den Ländern.“ Jedem Beobachter ist freilich klar, dass dieser Streit für Schelling zur wahren politischen Herausforderung in der Causa Hypo wird. Wie behauptet er sich gegen Pröll und die Landeshauptleute? Und wie weit reicht der Rückhalt in seiner Partei, wenn er hart bleibt?


Keine Hausmacht. Derzeit ist man in der ÖVP voll des Lobes für die Arbeit, die Schelling seit seiner Angelobung vor sechs Monaten geleistet hat. Er habe sich einen „soliden Platz in der Regierung und in der Partei erarbeitet“, meint ein hochrangiges ÖVP-Mitglied. Dass er, wie man ihm immer wieder nachsagt, nach Höherem strebt, dereinst also gern Parteichef und Bundeskanzler wäre, glaubt man in der ÖVP nicht. Schließt es aber auch nicht aus. „Aber man sollte sein Gewicht in der Partei nicht überschätzen.“ Erstens habe er wenig Hausmacht. Zweitens sei er bereits 61, also um zwei Jahre älter als Reinhold Mitterlehner. Im Fall des Falles würde die ÖVP wohl auf einen Jüngeren zurückgreifen, zum Beispiel auf Außenminister Sebastian Kurz. Und drittens sei Schelling „kein Allgemeinpolitiker“.

Für seinen aktuellen Job ist das kein Nachteil. In der Materie, gestehen ihm Freund wie Feind zu, kenne er sich hervorragend aus. Er hat sogar den gefürchteten Fit-und-proper-Test der Finanzmarktaufsicht bestanden, den alle Führungskräfte im Bankenbereich absolvieren müssen.

Und auch wenn er kein Allgemeinpolitiker ist, von seinem früheren Beruf in der Möbelbranche hat er etwas gelernt: Dinge zu verkaufen. Der „Standard“ zitierte vor einiger Zeit einen SPÖ-Politiker mit den Worten, Schelling könne den Leuten „sogar einen Stuhl ohne Haxen verkaufen“. Das war böse gemeint. Aber eigentlich sollte dieses Faktum die SPÖ alarmieren. Im letzten APA/OGM-Vertrauensindex lag er an vierter Stelle. Er kann nicht nur sich selbst gut verkaufen, sondern zweifellos auch ein Scheitern der Steuerreform an den Reichensteuern der SPÖ.


Vielfacher Millionär. Apropos: Auch daran wird man Schelling messen können. Im kleinen Kreis hat er deutlich gemacht, dass er zurücktritt, falls es neue Steuern gibt. Öffentlich dementiert er das, weil eine solche Drohung als Misstrauensbeweis für die Konsequenz der ÖVP-Parteilinie verstanden werden könnte.

Um seine Zukunft müsste sich der vielfache Millionär, zu dem ihn Anteile an einer Möbelhauskette gemacht haben, jedenfalls nicht sorgen. Zumindest könnte der leidenschaftliche Koch dann wieder mehr Zeit in seiner Küche in St. Pölten verbringen. Derzeit reicht es gerade einmal für ein schnelles Mittagessen am Sonntag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2015)

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