Paywall: Deutsche Zeitungen verlangen Geld im Netz

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Die „Süddeutsche“ führt Ende März eine Bezahlschranke ein, die „TAZ“ bleibt beim freiwilligen Modell.

Wer im Internet einen Artikel der „TAZ“ lesen will, wurde schon bisher höflich gefragt, ob er dafür vielleicht etwas zahlen wolle. Das sogenannte freiwillige Abo-Modell hat die „Berliner Tageszeitung“ 2011 eingeführt – und will nun ihre Leser noch stärker zum Bezahlen animieren. Bisher kamen 325.000 Euro durch die Kampagne „Taz zahl ich“ herein. Das ist nicht besonders viel, wenn man bedenkt, dass täglich 1,5 Millionen Menschen einen oder mehrere „TAZ“-Artikel lesen. Dennoch glaubt der Geschäftsführer der Zeitung, Kalle Ruch, dass ein verpflichtetes Bezahlmodell keine Zukunft hat: „Solange die zwangsfinanzierten Angebote der Öffentlich-Rechtlichen online sind, wird die Bezahlschranke keine Chance haben“, sagte er dem Branchendienst kress.de.

Die „TAZ“ glaubt aber, der Kulturwandel in der Branche und bei den vor allem jüngeren Lesern wird dazu führen, dass sie künftig doch mehr Leser dazu bringen kann, für ihre digitale „TAZ“-Lektüre zu bezahlen. Sie führt nun ein Digitalabonnement um fünf Euro pro Monat ein, das dem Online-Leser bei jedem Artikelaufruf angeboten wird.
Ganz anders geht die „Süddeutsche Zeitung“ ab Ende März an ihre Online-Leser heran. Die Zeitung wird eine echte Bezahlschranke nach dem Vorbild der „New York Times“ einführen. Nur zehn Artikel pro Woche sollen weiterhin gratis abrufbar sein. Wer mehr Artikel lesen will, muss das Digital-Abo SZ plus für 30 Euro pro Monat erwerben oder einen Tagespass von 1,99 Euro. Exklusive Inhalte wie der tägliche Leitartikel, das Streiflicht oder die Seite drei sollen überhaupt nur via Abo lesbar sein. Dafür bleiben Agenturmeldungen, die der Leser auf jeder Nachrichtenseite erhält, immer gratis.

Veränderte Lesekultur im Netz

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat die Einführung der Paywall (zu Deutsch: Bezahlschranke) lang überlegt. Digital-Chef Stefan Plöchinger erklärte in Interviews, dass mit der Einführung des neuen Bezahlmodells auch der Umbau der Website einhergehen würde. Die Seite heißt künftig nicht mehr Süddeutsche.de, sondern Süddeutsche Zeitung, damit sollen alle Inhalte aus der Zeitung wie von der Website unter einer Dachmarke abrufbar werden. Und die Erwartungen der Zeitung sind groß. Geschäftsführer Detlef Haaks erklärte schon Ende Jänner, dass man bis Ende 2015 gut 50.000 Digitalabonnenten gewonnen haben wolle.

Mit der „Süddeutschen“ setzt nach „Financial Times Deutschland“, „Bild“, „Welt“ und der regionalen „Rhein Zeitung“, die erst im Jänner ihre Website hinter eine Bezahlschranke geräumt hat, das nächste große Medium auf eine zusätzliche digitale Einnahmequelle. Mittlerweile haben über 100 deutsche Medien eine Bezahlschranke für ihre Website eingeführt. Die „New York Times“ hat vier Jahre nach der zunächst schleppenden Einführung ihrer Paywall 910.000 Digitalabonnenten und will noch 2015 die Millionenmarke erreichen. Die Zahl der Online-Abos reicht damit schon recht nahe an die der gedruckten (1,3 Millionen).

Auch wenn Medienexperten warnen, sich große Hoffnungen zu machen, eines steht fest: Je mehr Medienunternehmen ihre Inhalte nur gegen Bezahlung anbieten, desto eher werden sich die Leser an die sich verändernde Lesekultur im Netz gewöhnen. (awa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2015)

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