Moldova: Demonstranten stürmen Parlament und Präsidenten-Sitz

(c) Reuters (Gleb Garanich)
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Unruhen in Moldovas Hauptstadt Chisinau: Die Opposition wirft den Kommunisten Wahlbetrug vor und fordert einen neuen Urnengang.

CHISINAU (Reuters/APA). „Freiheit, Freiheit!“, brüllten die Demonstranten, und „Nieder mit den Kommunisten“. 10.000 von ihnen hatten sich am Dienstag in Moldovas Hauptstadt Chi?inau versammelt, um gegen den Sieg der Kommunisten bei der Parlamentswahl am Sonntag zu protestieren. Die meist jugendlichen Demonstranten trugen moldawische Flaggen und die EU-Fahne. Und ihre Wut ließen sie an Fahnen der kommunistischen Partei und der früheren Sowjetunion aus. Diese gingen in Flammen auf. Je länger die Proteste andauerten, desto mehr begann sich die Wut der Demonstranten auch auf anderes zu richten: Polizisten wurden mit einem Hagel an Steinen und anderen Wurfgeschossen eingedeckt. Die Sicherheitskräfte setzten Wasserwerfer und Tränengas ein.

Dann stürmten aufgebrachte Studenten das Parlament und den Sitz des Präsidenten. Sie schlugen die Fensterscheiben ein, kletterten ins Parlamentsgebäude und schleuderten Sessel, Tische und Dokumente auf die Straße. Dort warfen sie das Mobiliar auf einen Haufen und zündeten es an. Einer Handvoll Demonstranten gelang es auch, das Büro des Präsidenten und Kommunistenchefs Vladimir Woronin zu besetzen. Computer wurden zertrümmert. Bei den Unruhen wurden mindestens 30 Personen verletzt.

Die Demonstranten werfen Woronin und seiner Partei Wahlbetrug vor. „Die Wahlen sind von den Kommunisten kontrolliert worden. Sie haben jeden gekauft“, sagte der Student Alexei der Nachrichtenagentur Reuters.

Neuauszählung der Stimmen

Die Opposition, die die Proteste organisiert hat, fordert deshalb einen neuen Urnengang. „Wir verlangen, dass eine neue Wahl abgehalten wird, und wir werden sie auch gewinnen“, meinte Serafim Urecheanu von „Unser Moldova“, einer von drei Oppositionsparteien, die zur Wahl am vergangenen Sonntag angetreten waren. Um die Lage zu entschärfen, einigten sich Opposition und Regierung am Dienstag zunächst darauf, die Ergebnisse der Parlamentswahl neu auszuzählen.

Nur 9,9 Prozent der Stimmen hatte „Unser Moldova“ erhalten. Die anderen beiden Oppositionsparteien waren auf 13 und 12,2Prozent gekommen. Die Kommunisten hatten hingegen einen klaren Sieg eingefahren. Sie können auch weiterhin alleine regieren.

Die 200 Wahlbeobachter der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) kamen zu dem Schluss, dass bei dem Urnengang „viele internationale Standards“ erfüllt worden seien. Dennoch seien Verbesserungen notwendig, um einen Wahlprozess zu gewährleisten, der frei von übermäßigem Einfluss der Behörden sei. So sei im Zuge des Wahlkampfs oft von der Einschüchterung von Kandidaten die Rede gewesen. Moldovas Kommunisten waren einst klar prorussisch. Mittlerweile versuchen sie aber, sich an die EU anzunähern – vor allem, um dem Land westliche Wirtschaftshilfen zu sichern. Zugleich besteht zwischen Moldova und Russland aber eine strategische Partnerschaft. Moskau zeigte sich am Dienstag denn auch „tief beunruhigt“ von den Ausschreitungen in Chisinau. Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew hatte Woronin zuvor bereits zum Wahlsieg gratuliert.

Auch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana forderte am Dienstag alle Seiten zu „Zurückhaltung“ auf. Gewalt gegen Regierungsgebäude sei inakzeptabel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2009)

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