Türkei: Frauenbeschäftigung auf Rekordtief

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Eigentlich sollen mehr Frauen in der Türkei arbeiten gehen. Die islamisch-konservative Regierung sendet aber gegenteilige Signale.

Die Türkei hat eine der niedrigsten Quoten hinsichtlich der Frauenbeschäftigung in Europa. Nach aktuellen Märzzahlen des türkischen Statistikamts TUIK ist die Frauenbeschäftigungsquote in der Türkei mittlerweile auf 27,1 Prozent gesunken. Die Quote für Männer liegt bei etwas mehr als 65 Prozent.

Ministerpräsident Ahmet Davutoglu zufolge sollen 43 Aktionspläne auf dem Tisch liegen um den Arbeitsmarkt zu reformieren. Unter anderem soll die Frauenerwerbsquote bis 2018 um jährlich ein Prozent erhöht werden. Details zum Reformpaket wurden bisher noch nicht bekannt gegeben, denn am 7. Juni wird in der Türkei das Parlament neu gewählt.

Frauen sollen vor allem gebären

Von der politischen Führungsriege kommen im Hinblick auf die Rolle der Frauen gegensätzliche Signale: Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der ab 2015 ein Präsidialsystem mit ihm an der Spitze anstrebt, macht kein Hehl aus seiner Ansicht, dass für ihn Frauen und Männer nicht gleich sind und er Geburtenkontrolle als "Verrat" ansieht.

Gesundheitsminister Mehmet Müezzinoglu, der im Kabinett von Regierungschef Davutoglu sitzt, sorgte mit Aussagen für Empörung, er sehe die vorrangige "Karriere" von Frauen in der Mutterschaft. Er wässerte am 8. März, dem Internationalen Frauentag nach, indem er erklärte, die größte "Ungerechtigkeit" für Frauen sei es, sie Männern gleichzustellen zu wollen. Sie selbst würden dies nicht wollen.

Hochqualifizierte Frauen oft arbeitslos

Die Arbeitsmarktdaten widerlegen dies: Hochqualifizierte Frauen mit Universitätsabschluss gehören zur Gruppe mit der höchsten Arbeitslosenrate in der Türkei. Insgesamt liegt die Arbeitslosenrate offiziell bei über zehn Prozent, Experten sprechen von mindestens 17 Prozent. Von den knapp 26 Millionen Beschäftigten im Land arbeiten laut dem Statistikamt mehr als neun Millionen ohne soziale Absicherung.

Vor allem Frauen sind davon betroffen. Fast die Hälfte der rund 7,7 Millionen beschäftigten Frauen ist nicht sozialversichert, über zwei Millionen Frauen arbeiten unentgeltlich in den familieneigenen Klein- und Mittelbetrieben.

Die Erfolge der islamisch-konservativen Regierung in den vergangen Jahren sind dennoch unübersehbar. Die Türkei hat seit 2004 seine Beschäftigtenzahl von 19,6 auf 26,1 Millionen erhöht, der Großteil davon fand Arbeit in angemeldeten Jobs.

Streiks können verboten werden

Die Kehrseite dieser Entwicklung liegt nicht nur im Versagen bei der Frauenbeschäftigung, sondern auch im Fehlen einer organisierten Gewerkschaftstruktur. Es habe so gut wie keine qualitative Transformation stattgefunden, kritisiert der türkische Ökonom Mustafa Sönmez. Die AKP habe das Arbeitskräftepotenzial in den Hochkonjunkturzeiten genutzt ohne die Arbeitnehmerrechte auszuweiten.

Über Tarifverhandlungen und Streikrecht schwebt immer noch das Damoklesschwert der Putschverfassung aus dem Jahr 1982, was der Regierung ermöglicht, Streiks aus Gründen "der nationalen Sicherheit" zu verbieten, wie kürzlich den Metallarbeiterstreik, der 42 Fabriken in neun Provinzen lahmgelegt hätte.

Viele tödliche Arbeitsunfälle

Nach Angaben des Arbeitsministeriums sind in den vergangenen zwanzig Jahren fast zwei Millionen Arbeiter in Arbeitsunfällen zu Schaden gekommen. Fast 24.600 Unfälle endeten tödlich. In den veröffentlichten Statistiken aus dem Zeitraum 1992 bis 2013, die Minister Faruk Celik schriftlich bekanntgab, sind aber nur Sozialversicherte erfasst.

Die Türkei wurde immer wieder heftig für mangelnde Arbeitsplatzsicherheit vor allem am Bau- und Minensektor kritisiert. Nach einer Reihe von verheerenden Unfällen 2014, unter anderem das Minenunglück in Soma in der Westtürkei mit offiziell 301 Todesopfern, hat die Regierung die Vorschriften der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Arbeitssicherheit am 6. Februar dieses Jahres gesetzlich verankert.

Gewerkschaften und zivile Organisationen drängen auf eine schnelle Umsetzung. Die Bilanz für 2015 ist bereits düster. In den ersten Monaten des laufenden Jahres haben bereits 206 Arbeiter ihr Leben bei Arbeitsunfällen verloren, was einen neuerlichen Negativrekord darstellt.

(APA)

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