IT: Transformation auf Japanisch

File of attendees walking past the Nintendo of America Inc. booth during the Electronic Entertainment Expo or E3 in Los Angeles
File of attendees walking past the Nintendo of America Inc. booth during the Electronic Entertainment Expo or E3 in Los Angeles(c) REUTERS
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Sharp, Sony, Toshiba standen einst für die Macht der japanischen Elektronikindustrie. Viele der einstigen Giganten haben ihr Kerngeschäft längst verlassen und führen anderswo das Feld an. Auch Nintendo geht jetzt einen neuen Weg.

Tokio. 1978 hatten es die Japaner wieder einmal geschafft. Anfang der 1970er hatte JVC den Videorekorder zum Verkaufsschlager gemacht, Toshiba brachte das Videotelefon heraus und den Personalcomputer T1100. Klein, handlich. Später wird man Laptop dazu sagen. Und nun, 1978, gelang Sony der absolute Coup: der Walkman. Musik wurde tragbar, Sony dafür berühmt. Bis 2009 kauften 385 Millionen Kunden diverse Variationen des mobilen Geräts.

Heute klingen Namen wie Sony, Toshiba oder JVC wie eine Reise in die Vergangenheit. Auch die Fernsehapparate kommen nicht mehr von Sharp, Sony oder Panasonic. Eine Sega-Spielekonsole haben nur noch Nostalgiker, Nintendo verliert seit Jahren Markanteile. Kamerahersteller wie Nikon, Canon und Olympus ziehen gegen die Smartphones aus den USA, Südkorea, China und Taiwan den Kürzeren. Ist die japanische Ära vorbei?

Trends zur Digitalisierung und zur Integration verschiedener Plattformen haben Konzerne anderer Länder besser gesetzt, betonen Experten. Allein Koreas Elektronikriese Samsung hatte 2009 einen Jahresgewinn, der höher war als jener der neun größten japanischen Elektronikkonzerne zusammen. Zwischen 2000 und 2010 halbierte sich Japans globaler Marktanteil auf zehn Prozent.

Tot ist Japans Hightech-Branche deshalb noch lang nicht. Sie ist geschwächt, sucht nach neuen Geschäftsmodellen. Die Transformation hat längst begonnen. Sonys revolutionärer Walkman wird seit 2010 nicht mehr produziert. Im Vorjahr stieß Sony nach jahrelangen Verlusten die PC- und Fernseher-Sparte ab.

Auch bei Nintendo ist die Zukunft fraglich. Die jüngste Konsole Wii U verkauft sich trotz Preissenkungen schlecht. Nintendo schreibt seit Jahren rote Zahlen. Gespielt wird auf Smartphones, Nintendo hat vor diesem Trend zu lang die Augen verschlossen. Jetzt beschloss der Konzern aus Kyoto in die Gesundheitselektronik einzusteigen. Zudem gab Nintendo diese Woche bekannt, dass man künftig auch ganz neue Spiele für Smartphones entwickeln werde.

Der Schritt von Nintendo könnte ein kluger sein. Konkurrent Sega macht es seit 2001 vor. Als die Konsole Sega Dreamcast schwere Verluste brachte, zog sich das Unternehmen aus dem Konsolengeschäft zurück und beschloss, nur noch Software zu liefern. Finanzielle Schwierigkeiten hat Sega seither vergleichsweise wenige.

Fusionieren statt schrumpfen

Andere Unternehmen versuchen einen Turnaround durch Deals mit asiatischen Konkurrenten, die man in Japan früher als minderwertig angesehen hat. NEC zum Beispiel, einst einer der führenden Computerhersteller aus Japan, hat 70 Prozent seiner LCD-Panelproduktion 2011 an den chinesischen Konkurrenten Avic verkauft. Mit Lenovo, einem weiteren chinesischen Mitstreiter, ging NEC ein Joint Venture für die Entwicklung von PCs ein. Toshiba konzentriert sich auf das Geschäft mit Atomkraftwerken. Die Chipherstellung wurde an den Konkurrenten Samsung abgetreten.

Auch Sharp, einst stolzer Trikotsponsor des Fußballklubs Manchester United, ist so ein Beispiel. Sharp war Vorreiter bei LCD-Bildschirmen und Solarzellen. Vor der Jahrtausendwende brachte der Konzern das erste Kamerahandy auf den Markt. 2012, im Jahr des hundertjährigen Bestehens, schrieb Sharp mit 376 Milliarden Yen (heute 2,9 Milliarden Euro) den größten Verlust seiner Unternehmensgeschichte. Sharp stand vor der Pleite. 2013 gab der koreanische Konkurrent Samsung bekannt einzuspringen. Nun will Sharp mit neuem Kapital neue Akzente setzen. Bald soll ein 3-D-TV-Konzept kommen, das ohne Brillen funktioniert.

Aber nicht überall will man sich gesundschrumpfen. Die alten Allianzen der japanischen Industrie halten auch heute noch. Um effizienter zu werden und sich nicht mehr wie früher in Forschung und Entwicklung zu duplizieren, gingen JVC und Kenwood eine Fusion ein. Heute baut JVCKenwood Elektronik für Autos, setzt auf Radio- und Drahtloslösungen und Videoüberwachung. Lang vorbei sind die Zeiten, in denen Videorekorder-Pionier JVC sich mit Konkurrent Sharp auch um die englische Fußballkrone gestritten hat. JVC war Sponsor von Arsenal London.

Roboter für Spitäler

Sony, Toshiba und Hitachi schlossen 2012 ihre LCD-Bildschirmsparten zum Unternehmen Japan Display zusammen und sind seither Weltmarktführer für die Ausstattung von Tablets und Smartphones. Hier steht nun eine Kooperation mit einem weiteren Japaner an – Panasonic. Der Gigant aus Osaka will sich an der Entwicklung von OLED-Bildschirmen beteiligen. Also an großen Bildschirmen, die ähnlich wie Smartphone-Displays funktionieren.

Panasonic hat mit der Onlineplattform MySpace die Funktion MySpaceTV gegründet, gleichzeitig ist der Konzern in die Pflegerobotik eingestiegen. Dafür erhielt Panasonic übrigens den Roboterpreis des japanischen Wirtschaftsministeriums. Panasonic-Roboter könnten in Zukunft in japanischen Krankenhäusern eingesetzt werden. Teilautomatisierte Pflege gilt in alternden Gesellschaften wie der japanischen als vielversprechender Zukunftsmarkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2015)

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