IS-Reiseführer: Mit Knieschonern in den Jihad

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Syrien. Im Internet kursiert eine Broschüre für angehende IS-Kämpfer. Sie liest sich zum Teil wie eine Empfehlung für einen Abenteuerurlaub: So sollen Ausländer die richtigen Adapter für den Stromanschluss einpacken.

Istanbul. Knieschoner sind wichtig, ein Schlafsack auch: Mit einer Broschüre in englischer Sprache gibt die Jihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) Kämpfern Tipps für die Reise nach Syrien. „Einige kommen hier so unvorbereitet an, dass es schon verrückt ist“, heißt es darin. Die Broschüre „Hidschra zum Islamischen Staat“ ist nach der Auswanderung Mohammeds von Mekka nach Medina im Jahr 622 benannt, die den Beginn der islamischen Zeitrechnung markiert. Hidschra bezeichnet zugleich den Umzug eines Gläubigen aus einem nicht-islamischen in ein islamisches Gebiet. Nach Angaben des israelischen Terrorismus-Informationszentrums ITIC tauchte die Broschüre erstmals im Februar auf. Versuche westlicher Behörden, den Zugang zu dem extremistischen Reiseführer sperren zu lassen, sind gescheitert.

Neuankömmlingen wird in der Anleitung geraten, über andere Länder mit wenig Gepäck in die Türkei zu reisen und sich als Touristen auszugeben. Ausdrücklich werden die IS-Anhänger aufgefordert, sie sollten sich lässig kleiden, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Reise von Istanbul zum Grenzgebiet sollte nachts per Fernbus absolviert werden. In einem eigenen Kapitel für weibliche IS-Anhänger wird betont, die „Schwestern“ sollten möglichst nicht in großen Gruppen reisen und einen Ersatzschleier mitbringen, falls ihre Kleidung an der Grenze vom Stacheldraht zerrissen wird. Westliche Politiker werfen der Türkei vor, nicht genug gegen den Zustrom zum IS über ihr Land zu unternehmen. Auch Israels ITIC-Experten merkten in einem Beitrag zu der IS-Broschüre an, die Jihadisten verfügten in der Türkei „über eine umfangreiche Infrastruktur“ für die Einschleusung der Rekruten nach Syrien.

Jihadisten erobern Grenzort

Für die IS-Miliz ist es in einigen Gebieten entlang der 900 Kilometer langen Grenze relativ einfach, Kämpfer in Empfang zu nehmen, weil sie dort große Gebiete beherrscht. Am Wochenende hissten die Jihadisten Berichten zufolge ihre schwarze Fahne in einem syrischen Dorf, das nur 400 Meter vom nächsten türkischen Ort entfernt liegt. Unter dem Eindruck der westlichen Kritik verstärkte die Türkei zuletzt aber ihre Sicherheitsmaßnahmen. Das bemerkten auch die Terroristen. „An der türkischen Grenze ist es schwieriger geworden“, heißt es in der 50-seitigen Broschüre. Kämpfer sollen daher nicht mehr versuchen, diese auf eigene Faust zu überqueren, sondern von der Türkei aus über Twitter den Kontakt mit IS-Vertretern aufnehmen. Diese würden sie dann etwa in einem türkischen Hotel abholen. Mehrere Twitter-Kontakte sind angegeben.

Die Broschüre liest sich teilweise wie die Reiseempfehlung für einen Abenteuerurlaub. So sollen Kämpfer darauf achten, die richtigen Adapter für den Stromanschluss einzupacken und Knie- sowie Ellbogenschützer mitzubringen – denn in Ausbildung und Gefecht „werdet ihr hier viel herumkriechen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2015)

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