Vergaberecht: Bürgermeister sind keine Idioten – eine Verteidigung

(c) Www.BilderBox.com (Www.BilderBox.com)
  • Drucken

Der Schwellenwert für Direktvergaben wurde auf 100.000 Euro erhöht. Diese Anhebung dient der Ankurbelung der regionalen Wirtschaft.

Wien. In der letzten Ausgabe des „Rechtspanoramas“ wurde die bevorstehende Anhebung der Schwellenwerte für Direktvergaben der öffentlichen Hand heftig kritisiert und als Populismus bezeichnet (Andreas Nemec, Geschäftsführer der Bundesbeschaffung GmbH: „Ein Schlupfloch wie ein Scheunentor“). Diese Darstellung kann selbstverständlich nicht unwidersprochen bleiben, zumal der Österreichische Gemeindebund massiv auf die Anhebung der Schwellenwerte von 40.000 auf 100.000 Euro eingetreten ist.

In der Betrachtung und Begründung dieser Anhebung ist die Wirtschaftskrise ein maßgeblicher, bei Weitem aber nicht der einzige relevante Faktor. Die Konjunkturpakete von Bund und Ländern sind als Rezept, die Folgen der Krise zu mildern, nur bedingt tauglich. Zwar sind Höhe und Umfang der bereitgestellten Mittel enorm, gleichzeitig sind aber auch die Vorlaufzeiten der damit finanzierten Projekte ebenso enorm (lang). In einer Zeit, in der vor allem schnelle Hilfe von Bedeutung ist, ist das ein Problem.

Jene Projekte etwa, die von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) vorgezogen werden, damit auch in der Krise investiert wird, bewegen in Summe viele hundert Millionen Euro. Bis allerdings sämtliche Ausschreibungen und Vergabeverfahren abgewickelt sind, wird es für tausende Bauarbeiter zu spät sein. Ersten Schätzungen zufolge werden die vorgezogenen Projekte frühestens im Herbst 2009, noch wahrscheinlicher aber erst im Frühjahr 2010 begonnen werden können.

Um diesem Dilemma zu entgehen und dazu beizutragen, dass die öffentliche Hand rasch und bürokratiefrei Maßnahmen gegen die Folgen der Krise setzen kann, wurde nun per Verordnung der Schwellenwert für Direktvergaben auf 100.000 Euro erhöht. Das Ziel dieser Maßnahme ist klar: Geschwindigkeit im niederschwelligen Auftragsbereich erhöhen, damit schneller Geld für dringend nötige Investitionen fließen kann. Dazu kommt, dass komplizierte Vergabeverfahren bei geringen Auftragsvolumina oft auch nicht nur sehr zeit-, sondern auch kostenintensiv sind.

Kein Zuschanzen von Geschäften

Der unterschwelligen Kritik, dass damit Bürgermeister befreundeten Unternehmen die Geschäfte zuschanzen könnten, lässt sich mit einem Argument leicht begegnen: Bürgermeister sind keine Idioten. Sie wissen sehr genau, dass die Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde sehr genau beobachtet wird. Sie wissen, dass die Bevölkerung sehr allergisch darauf reagieren würde, wenn in einer Gemeinde Freunderlwirtschaft Einzug hält. Jeder Bürgermeister des Landes hat im eigenen Interesse – nämlich auch im Interesse seiner eigenen politischen Zukunft – darauf zu achten, dass Steuermittel möglichst sparsam und effizient eingesetzt werden. Er hat aber auch darauf zu achten, dass Auftragsvergaben nach Möglichkeit unmittelbar in der Region erfolgen, um dort lokale Arbeitsplätze zu sichern. Das ist kein Populismus, sondern verantwortungsvolle Lokalpolitik. Die Befürchtung, dass damit die „versuchte Anfütterung“ begünstigt wird, ist absurd. Die Kontrollmechanismen im öffentlichen Vergabewesen sind überaus dicht. Übrigens sind auch Direktvergaben an die Transparenzvorgaben des Vergaberechts gebunden. Schließlich hat jede Gemeinde ihren Rechnungsabschluss und davor auch ihr Budget der Gemeindeaufsichtsbehörde vorzulegen. Nicht zuletzt gibt es auch in jeder Gemeinde einen Kontrollausschuss, der in der Regel von Vertretern der jeweiligen Opposition besetzt ist und sehr zeitnah Vergaben durch die Gemeinde prüft und bewertet.

Übrig bleibt also:
•Die Vergabe von Aufträgen im niederschwelligen Bereich wird erheblich beschleunigt und sorgt dafür, dass die öffentliche Hand maßgeblich die Folgen der Wirtschaftskrise abfedern kann.
•Die Kontrollmechanismen sind äußerst dicht, zusätzlich üben die Medien eine nicht zu unterschätzende Bewertung von Vergaben aus.
•Günstige Firmen, die gute Qualität anbieten, werden sich auch weiterhin bei öffentlichen Aufträgen durchsetzen. Im eigenen Interesse einer Gemeinde werden sie zur Anbotslegung eingeladen werden.
•Die Vergabe in diesem niederschwelligen Bereich wird wieder lokaler und unmittelbarer. Lokale Unternehmen haben wieder bessere Chancen als unbekannte Fremdanbieter.

Dass einem Unternehmen, das ausschließlich von der Abwicklung der Vergabeverfahren für die öffentliche Hand lebt, eine andere Vorgangsweise lieber wäre, ist verständlich. Das darf aber wirtschafts- und steuerungspolitisch sinnvolle Maßnahmen nicht unmöglich machen. Zu hoffen bleibt, dass die nun per Verordnung anzuhebenden Schwellenwerte auch in der Novellierung des Bundesvergaberechts nachhaltig verankert werden. Einigkeit herrscht zwischen der Bundesbeschaffung GmbH und dem Gemeindebund in der Forderung nach einer deutlichen Vereinfachung des Vergabegesetzes.

Dr. Hink ist Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes.

STICHWORT

Die Direktvergabe von öffentlichen Aufträgen erspart dem Auftraggeber ein ordentliches Vergabeverfahren. Bundeskanzler Werner Faymann hat bereits eine Verordnung unterschrieben, mit der die Höchstgrenze dafür von 40.000 auf 100.000 Euro angehoben wird. Weil nicht nur der Bund betroffen ist, muss das Kanzleramt die Zustimmung der Bundesländer einholen. Danach wird die Verordnung kundgemacht; dann tritt sie in Kraft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Recht allgemein

Öffentliche Aufträge: Ein Schlupfloch wie ein Scheunentor

Die Anhebung der Direktvergabegrenze ist ein populistisches Manöver, das nur einen Gewinner kennt: das Beziehungsgeschäft. – Eine Kritik.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.