Biologie: Die Liebeslieder der Mäusemännchen

(c) EPA (Everett Kennedy Brown)
  • Drucken

Wenn Mäusemännchen ein Weibchen nicht sehen, aber riechen, stimmen sie aus vollem Hals komplexe Gesänge an. Kommt ein Weibchen dann ins Blickfeld, werden die Weisen eintöniger.

„Here I come to save the day“, sang die Zeichentrickfigur Mighty Mouse in den 1950er-Jahren, und im Kino geht alles durch, niemand verließ den Saal aus Ärger darüber, dass Mäuse überhaupt nicht singen können, schon gar nicht in Sprache: Die ist dem Menschen vorbehalten, den Gesang muss er sich teilen, mit Vögeln etwa, aber doch nicht mit Mäusen!

Denen kann man unsere Einzigartigkeit allenfalls implantieren, 2009 hat es Wolfgang Enard (Leipzig) getan: Hinter dem Sprechen der Menschen – hinter der Syntax und Motorik – steckt eine Variante des Gens Foxp2., sie heißt Foxp2hum/hum, das kommt von „human“, es klingt nur zufällig an „hum“ gleich „summen“ an. Foxp2 gibt es quer durch das Tierreich, es hilft Vögeln beim Lernen ihrer Lieder, und Mäuse fiepsen damit. Die Variante Foxp2hum/hum allerdings blieb dem Menschen vorbehalten, später fand sie sich auch bei unserem Bruder Neandertaler.

Diese Variante hat Enard Mäusen eingebaut, nun fiepsten sie anders (Cell 137, S.961). Verstanden hat man sie doch nicht, aber sie fiepsen schließlich nicht für Menschen, sondern für andere Mäuse, wir hören es ohne technische Hilfe nicht, sie tun es im Ultraschall, und in vielen sozialen Situationen, man bemerkte es zunächst bei ganz jungen – allein gelassene Kleine rufen nach ihren Müttern –, auch Halbstarke und Nachbarn teilen einander irgendetwas mit.

Ähnlich wie Vogelgezwitscher

Und Männchen befiepsen Weibchen, das fiel den Neurobiologen Timothy Holy und Zhongshen Guo (St. Louis) 2005 auf: Sie hielten Mäusemännchen Wattebäusche vor die Nasen, die mit Urin entweder von Weibchen oder Männchen beträufelt waren. Die von Weibchen wirkten, die Männchen gaben etwas von sich, was – herabtransponiert um vier Oktaven – verblüffend dem Vogelzwitschern ähnelte (PLoS Biology 3, e386).

Zudem sang jedes Männchen anders, und das alles verblüffte vor allem deshalb, weil die Mäuse Labormäuse waren, in langer Inzucht und Isolation, sie müssen und dürfen keinen Weibchen hinterherpfeifen. Aber der Gesang wird nicht so leicht verlernt, das zeigt nun Erich Jarvis (Duke University). Er hat Mäusemännnchen entweder Urin von Weibchen riechen – oder die Weibchen sehen lassen. Das brachte ganz verschiedene Gesänge: Waren die Weibchen nur zu riechen, legten die Männchen los, mit voller Stimme und komplexem Klang. Waren die Weibchen zu sehen, wurden die Männchen eintöniger (Frontiers in Behavioral Science, 1.4.). „Wir glauben, dass die komplexen Gesänge herbeirufen“, interpretiert Jarvis, „und wenn er dann ein Weibchen sieht, wechselt er zu einem einfacheren Gesang, um Energie dafür zu sparen und ihr den Hof zu machen.“

Und die Weibchen? Denen bieten die wohltönenden Lockrufe höheren Genuss, vor Lautsprecher mit solchen Gesängen verweilen sie länger. Und wie klingt es? Das Institute Pasteur in Paris führt ein frei zugängliches Archiv mit Mäusegesängen („MouseTube“), dort haben Chabout und Jarvis auch hinterlegt, was ihre Mäuse – sie gelten als besonders sangesfreudig – können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.