Ibeyi: Die Geistersucher

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Knisterelektronik und religiöse Chants: Ibeyi aus Paris.

Ihr Vater war der berühmte Perkussionist Miguel Anga Diaz, der 1995 Kuba verließ, um nach Jahren in der kubanischen Band Irakere mit der Weltelite zu spielen. Im Jazz war er mit Herbie Hancock, Roy Hargrove und Steve Coleman zugange, im Ethnobereich versorgte er u. a. den Buena Vista Social Club mit sinnlicher Rhythmik. Im Jahr seines Auszugs wurden seine Zwillingstöchter Lisa-Kaindé und Naomi geboren, die nun als Duo Ibeyi (das bedeutet in der Yoroba-Sprache Zwillinge) mit zart elektrifizierten zeitgenössischen Negro-Spirituals (so nennen sie selbst ihre anheimelnde Musik) für Furore sorgen. Ihre Hauptinspiration ist die Yoroba-Religion, die mit den über den Atlantik verschifften Sklaven von Nigeria und Benin nach Kuba gekommen ist. Die Beziehung zu den Ahnen, den Orishas, ist von besonderer Bedeutung: Zwischen Diesseits und Jenseits gibt es zum Zweck des Gleichgewichts permanente Energieverschiebungen, die mittels Gebet, Lied oder Geste realisiert werden. Auch zwischen den 19-jährigen Zwillingen geht es turbulent zu. Sie streiten oft. Bloß in der Musik ergänzen sie einander ideal. Perkussionistin Naomi, das impulsive Partygirl, bringt Elemente aus Hip-Hop, Elektronik und Dancehall; Lisa-Kaindé steht auf alten Soul und Jazz und kümmert sich um gute Melodien. XL-Labelchef Richard Russell, der zuletzt die Abschiedsalben von Gil Scott-Heron und Bobby Womack herausbrachte, war angetan von diesem seltsamen Mix aus archaischen und hochmodernen Elementen. Das Gros der Lieder ist der melancholischen Seite zugeneigt. „We hear laughter and we think of you, we walk on rhythm and we think of you“, singen sie im Angedenken an ihren 2006 gestorbenen Vater im elegischen „Think Of You“.

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Wasser. Wie ein durch stolpernde Beats verfremdetes Gebet mutet „River“ an. Darin heißt es: „Let me baptize my soul with the help of your waters.“ Eindringlich wird darum gefleht, dass die Wasser alles an Ego, Schmerz und Schande wegspülen mögen. Im düsteren „Mama Says“ wird noch einmal der Schmerz rekapituliert, der Mutter Diaz nach dem Ableben ihres Mannes gelähmt hat: „The man is gone, and mama says there is no life without him.“ In „Yanira“ gedenken die strahlenden Zwillinge ihrer früh verstorbenen Schwester. In der Musik von Ibeyi sind Schmerz und Lebenslust zwei Seiten derselben Medaille. Auch afrokubanischer Geisterglaube und hedonistische, westliche Lebensweise sind hier kein Widerspruch. Alles fließt magisch ineinander: Träume und reale Handlungen, Aktuelles und Archaisches. (XL Recordings)

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