AT&S: „Wir investieren hier nicht mehr groß“

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Andreas Gerstenmayer, Chef des Leiterplattenspezialisten AT&S, vermisst das klare Bekenntnis der Politik zur Industrie. Unternehmen würden bestraft, Leistungsanreize fehlten.

Wien. Eigentlich könnte Andreas Gerstenmayer mehr als zufrieden sein. Welcher Konzernlenker kann schon sagen, dass der Umsatz im soeben abgelaufenen Geschäftsjahr 2014/15 nur mehr wenig gewachsen ist, weil die voll ausgelasteten Fabriken am Kapazitätslimit laufen. Geht es jedoch um die Rahmenbedingungen für Unternehmen, also die heimische Wirtschaftspolitik, findet der Chef des börsenotierten Leiterplattenherstellers AT&S äußerst harsche Worte: „Wirklich bedenklich ist, was nicht im Steuerreformkonzept steht – nämlich ein klares Bekenntnis zu Industrie und Innovation, die der Garant für einen starken Wirtschaftsstandort sind.“

Unternehmen würden vielmehr „bestraft“, indem die vielfach angekündigte Entlastung des Faktors Arbeit einmal mehr aufgeschoben worden sei. Es aber nicht nur der Mangel an Geld für Forschung und Entwicklung, für die Nachwuchsausbildung an den Universitäten, der sich vor allem in der Hightech-Industrie fatal auswirke, meint Gerstenmayer im Gespräch mit der „Presse“.

Es fehle auch an Konzepten für die Zukunft, die mit dem „Internet der Dinge“, von Datenbrillen über intelligente selbst fahrende Autos zur Gebäude-Automatisation und Industrierobotern, schon längst begonnen hat. „Niemand macht sich Gedanken darüber, dass diese industrielle Revolution nicht nur die Produktivität steigern, sondern auf der anderen Seite ganze Berufsgruppen wegfegen und damit den Arbeitsmarkt erschüttern wird“, kritisiert Gerstenmayer das Fehlen jeglicher Strategien für neue Ausbildungs- und Berufsbilder.

Industriefeindliches Klima

Die Konsequenz daraus liegt für Gerstenmayer auf der Hand: „Wesentliche Investitionen machen wir nicht mehr im Inland.“ Mit dieser Aussage steht der AT&S-Chef nicht allein da: Auch Voestalpine-Boss Wolfgang Eder, Andritz-Chef Wolfgang Leitner, RHI-General Franz Struzl und Semperit-Chef Thomas Fahnemann, um nur einige zu nennen, beklagen das industriefeindliche Klima.

Schon jetzt arbeiten von den 7500 Beschäftigten der AT&S nur noch 1200 in Österreich. Wobei für Gerstenmayer nicht einmal die Forschung in Österreich „angenagelt“ ist. „Die Grundlagenforschung machen wir hier, aber schon die Weiterentwicklung passiert vor Ort.“

Das heißt vor allem in China, wo die AT&S in Shanghai eine riesige Leiterplattenproduktion mit 4500 Beschäftigten betreibt. Auch das nächste Werk entsteht in der Volksrepublik. Wobei nicht nur die Lohnkosten, die gemessen am Produkt etwa zwei Drittel unter jenen in Österreich liegen, eine Rolle spielen. Peking habe die Halbleiterbranche als „strategische Industrie“ definiert. „Das ist für uns eine riesige Chance.“

In Chongqing, im Südwesten des Landes, geht es nicht um Leiterplatten, sondern um eine neue, heute noch nicht in Anwendung stehende Technologie: Dort werden ab 2016 mit einem wichtigen Kunden und Partner integrierte Schaltungen, kurz IC-Substrate, produziert. Die AT&S ist damit das erste Unternehmen auf diesem Gebiet. Die Investition beträgt 350 Mio. Euro, nachdem in Shanghai über mehrere Stufen insgesamt 700 Mio. Euro geflossen sind.

Expansion statt Dividende

Gerstenmayer denkt freilich schon über das übernächste Werk nach. Es wird sicher auch in Asien gebaut, wobei außer China auch Vietnam oder Thailand infrage kämen. Noch sei man im Prüfstadium. „Wir machen uns Gedanken, welche Technologie wir wählen, es geht aber natürlich auch um die Kosten und den Zeitpunkt“, sagt Gerstenmayer. Wobei Ersteres sicher am wichtigsten ist, denn angesichts einer Eigenkapitalquote von knapp 46 Prozent und einer Gewinnmarge (gemessen am Ebitda) von rund 24 Prozent dürfte die Finanzierung das geringere Problem sein. Zumal auch die beiden Großaktionäre – Hannes Androsch und Willibald Dörflinger halten 16,3 bzw. 17,8 Prozent – den Gewinn lieber investiert sehen als in der eigenen Tasche. Die Dividende dürfte daher so wie zuletzt auch für 2014/15 bei 20 Cent je Aktie liegen.

Angesichts des Trends zu smarten, vernetzten Produkten, die immer kleinere Leiterplatten verlangen, geht die vor einigen Jahren eingeschlagene Unternehmensstrategie zur Spezialisierung voll auf. Die AT&S ist inzwischen nicht nur die Nummer drei weltweit, sondern auch einer der profitabelsten Produzenten von Hightech-Leiterplatten. Über Kunden spricht man zwar nicht, aber so viel lässt Gerstenmayer aus: „Unsere Produkte werden von allen großen Herstellern von Smartphones, Tablets und Notebooks eingebaut.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2015)

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