Salzburg: Eine Dekade im Zeichen der Dose

Mannschaftsfoto der Frühjahrssaison 2006: Jara (2. Reihe, r.) ist pass´e, Ilsanker (2. Reihe, l.) noch immer da.
Mannschaftsfoto der Frühjahrssaison 2006: Jara (2. Reihe, r.) ist pass´e, Ilsanker (2. Reihe, l.) noch immer da.Gepa
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Vor zehn Jahren stieg Red Bull in das österreichische Fußballgeschäft ein. Ein ständiger Wegbegleiter, Tormanntrainer Herbert Ilsanker, erinnert sich.

Die Erinnerung ist lebendig, Herbert Ilsanker hat die Szenerie noch vor seinem geistigen Auge. „In der Stierkampfarena ist das Wasser gestanden, das weiß ich noch“, sagt der 47-Jährige, fest davon überzeugt. Ein Blick auf eines der ersten Mannschaftsfotos von Red Bull Salzburg, aufgenommen am 1.Februar2006 in Valencia, ist eine Reise in die Vergangenheit. Es zeigt Spieler, die längst in Vergessenheit geraten sind: Vratislav Lokvenc, László Bodnár oder Aleksander Knavs. Sie alle sind Teil der zehnjährigen Historie jenes Vereins, der am 6.April 2005 mit der Übernahme des SV Austria Salzburg durch die Red Bull GmbH ihren Ursprung fand. Herbert Ilsanker pflegt ein besonderes Verhältnis zum Klub. Er ist Torwarttrainer der ersten Stunde und damit der einzige Coach, der die Ära Red Bull durchgehend begleitet hat.

Ilsanker hat Spieler sonder Zahl kommen und gehen gesehen. „Ich könnte sie nicht alle aufzählen“, sagt er schmunzelnd. In seinem Keller hat der Salzburger „ein paar große Poster“ hängen, ein Blick darauf sorgt für regelmäßige Aha-Erlebnisse. „Man glaubt nicht, wer schon aller für Red Bull Salzburg gespielt hat.“ Auch die Trainerpalette ist weitreichend, von Kurt Jara über Huub Stevens bis hin zu Adi Hütter. „Vom Sturkopf bis zum lockeren Typ war alles dabei“, bemerkt Ilsanker, dem ein Kollege in besonderer Erinnerung geblieben ist: Giovanni Trapattoni. „Alle haben ihn nur Mister oder Sir genannt. Er war ein angenehmer Typ, ein besonderer Mensch.“


Die Angst vor der Übermacht. Red Bull Salzburg galt in den Anfangsjahren als Paradebeispiel der diskontinuierlichen Arbeit. Der sportliche Erfolg sollte mit dem Investitionsvolumen Schritt halten, Anspruch und Wirklichkeiten aber klafften auseinander. 2005 stampfte der aus Deutschland heimgekehrte Kurt Jara ein völlig neues Team aus dem Boden. Geld spielte bei Transfers eine untergeordnete Rolle, und so ließen sich auch Alexander Zickler oder Thomas Linke von einem Engagement in Österreich überzeugen. Jara wurde nach dem Verpassen der Meisterschaft und „Transferdifferenzen“ nach einer Saison entlassen, das Zepter übernahm Trapattoni in Zusammenarbeit mit Lothar Matthäus. Ein neuer Trainer bedeutete ein ums andere Mal eine neue Philosophie; Spieler und spielerische Ausrichtungen wurden gleichermaßen gewechselt. Ilsanker: „Der Verein hat immer wieder Spieler mitgeschleppt, die unter dem neuen Coach keine Zukunft mehr hatten. Klar kam es dadurch in der Kabine zu Spannungen.“

Von den Fans konkurrierender Klubs wurden diese Entwicklungen mit Wohlwollen registriert. Es hatte sich umgehend eine Front gegen Red Bull Salzburg gebildet, ihr Ursprung fand sich in Wien. „Viele haben Angst vor einer möglichen Übermacht bekommen“, sagt Ilsanker. Transfers wie jener des jungen Andreas Ivanschitz von Rapid zu Salzburg Anfang 2006 sorgten im Lager der Grün-Weißen für Empörung. Doch Red Bull stand nicht nur mit dem gegnerischen Anhang auf Kriegsfuß, auch jener in Salzburg richtete sich „gegen den Kommerz“, wie es hieß. Mit der Übernahme der kriselnden Austria Salzburg wurden das Logo und die violett-weißen Vereinsfarben geändert.

Herbert Ilsanker stand in gewisser Weise zwischen den Fronten. Er hatte zwischen 1993 und 1998 beinahe 100 Spiele für Austria Salzburg bestritten, sich 2005 aber Red Bull Salzburg angeschlossen. „Aus Sicht der Fans konnte ich den Unmut schon ein wenig nachvollziehen“, sagt der einstige Torwart. „Du unterstützt deinen Verein, und auf einmal gibt es ihn auf diese Art und Weise nicht mehr.“ Noch im Jahr 2005 wurde der Sportverein Austria Salzburg neu gegründet, seit 2010 kämpft man in der Regionalliga West um die Rückkehr in den Profifußball. Der Zorn richtete sich nicht nur gegen Mäzen Dietrich Mateschitz. Wer mit Red Bull sympathisierte oder gar für den Klub arbeitete, wurde angefeindet. „Wenn ich in Salzburg durch die Stadt gefahren bin, hat man schon einmal das Auto bespuckt oder mir den Mittelfinger entgegengestreckt“, erinnert sich Ilsanker an die dunklen Anfangsjahre.

Während in Österreich heute großteils eine gewisse Akzeptanz für die „Bullen“ vorherrscht, scheint die Anti-Red-Bull-Stimmung in Deutschland 2015 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht zu haben. In Leipzig, wo Red Bull neben New York und Brasilien ebenfalls einen Klub besitzt, führen Vereins- und Ligaverantwortliche derzeit einen erbitterten Zweikampf mit hartnäckigen Fangruppierungen. Es zeigt sich ein Bild vergleichbar mit jenem in Österreich vor zehn Jahren, nur in einer weitaus größeren Dimension.

„Ich finde es traurig“, sagt Ilsanker und verweist auf andere deutsche Klubs wie Bayer Leverkusen oder VfL Wolfsburg. „Leipzig ist doch nicht der einzige Werksverein.“ Es ist mitunter eine der vielen Aufgaben von Ralf Rangnick, das öffentliche Standing von Rasen-Ballsport Leipzig, wie der Klub offiziell heißt, zu verbessern. Der 56-Jährige kümmerte sich in den vergangenen drei Jahren um die sportlichen Belange in Salzburg und Leipzig, ab Sommer gilt seine Aufmerksamkeit ausschließlich dem Standort Deutschland. Das große Vorhaben der Salzburger, erstmals die Gruppenphase der Champions League zu erreichen, misslang aber auch unter Rangnick. Die Hoffnung darauf stirbt zuletzt. „Wir werden es dann schaffen, wenn kaum jemand mit uns rechnet“, ist Ilsanker überzeugt.

Steckbrief

Herbert Ilsankerwurde am 24. Mai 1967 in Hallein geboren. Der Torwart spielte für Austria Salzburg (1993 bis 1998) und Mainz (1998 bis 2001).

Später arbeitete Ilsanker bis 2005 in der Halleiner Papierfabrik, die 2009 drastisch Personal reduzierte. „Viele meiner Freunde und Kollegen hatten ihren Job verloren.“

Ilsanker ist seit 2005 Torwarttrainer bei Red Bull Salzburg.

In der zehnjährigen Vereinsgeschichte gewann Salzburg fünfmal die Meisterschaft und zweimal den Cup. Das Erreichen der Champions League blieb Salzburg in sieben Anläufen verwehrt. APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2015)

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