Schulschließungen: Kaum Einfluss auf Bevölkerungszahl

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Gemeinden argumentieren gern damit, dass Menschen abwandern, wenn Schulen geschlossen werden. Eine Studie zeigt, dass das nicht zutrifft.

Schulschließungen haben kaum Einfluss auf die Bevölkerungszahl einer Gemeinde. Das zeigt eine Studie von Bilal Barakat vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Beispiel des deutschen Bundeslands Sachsen. Nennenswerte Effekte auf die Abwanderung konnte er dabei nicht feststellen - lediglich die Zuzüge in eine Gemeinde nach der Schulschließung gingen zurück.

Für die nun im Newsletter "Demografische Forschung aus Erster Hand" veröffentlichten Studie wollte Barakat den oft zitierten Gemeinplatz "Keine Schule - keine Einwohner" auf seine Gültigkeit überprüfen. Dieser besagt im Wesentlichen, dass ein Ort nach der Schließung der letzten Schule für Familien als Wohnort nicht mehr attraktiv ist, überaltert und Einwohner verliert. Sachsen wählte er als Studienobjekt, weil dort nach der Wiedervereinigung die Bevölkerungszahl aufgrund von Ost-West-Migration stark zurückging: Die Schülerzahlen in den Grundschulen fielen zwischen 1993 und 2007 um die Hälfte, außerdem verfügt das Land über genaue Daten zu Schulen und Einwohner seiner damals 500 Gemeinden.

Schon vor der Schließung Abzug?

Dabei stand Barakat zunächst vor einem methodischen Problem: So könnte sich eine Schulschließung schon vor deren eigentlichem Vollzug auswirken, weil Bewohner schon aufgrund der Diskussion darüber wegziehen. Andererseits kann sich der Effekt aber auch erst einige Jahre danach zeigen. Deshalb verglich der Wissenschafter in der Studie einerseits verschiedene Zeiträume vor und nach einer Schulschließung und andererseits Gemeinden mit einer unterschiedlichen Anzahl an Schulen bzw. Schließungen.

Das Ergebnis war relativ eindeutig: Ganz gleich, ob eine Gemeinde eine, zwei oder drei Schulen hatte und ganz gleich, ob die letzte oder vorletzte Schule geschlossen wurde - bis zum Jahrtausendwechsel gab es überall noch eine durchschnittlich positive Migrationsrate, heißt es in der Studie. Erst seit dem Jahr 2000 zogen in Gemeinden, wo die letzte Schule geschlossen wurde, mehr Menschen weg als zu - diese Entwicklung war aber von den Schulschließungen losgelöst: Aus dem ganzen Bundesland wanderten mehr Personen ab, also unabhängig davon, ob Schulen geschlossen wurden oder nicht.

Nur die Zuzüge gingen leicht zurück

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Barakat, als er die Effekte der Schließungen auf Zu- und Abwanderung getrennt untersuchte: Egal ob zwei Jahre vor oder sechs Jahre nach der Schließung - ein Effekt auf die Abwanderung ließ sich kaum feststellen. Die Zuzüge gingen lediglich leicht zurück.

Als Erklärung zieht der Wissenschafter den Umstand heran, dass das sogenannte "lokale Wanderungssaldo" generell nicht von Familienwanderung dominiert und eine Schule vor Ort für viele ohnehin nicht entscheidend sei. So sei in Sachsen die Schülerbeförderung recht gut und auch Schulen in ländlichen Gegenden innerhalb von 20 Autominuten zu erreichen. Außerdem umfasse die Volksschulzeit ohnehin nur vier Jahre, nach der die Kinder vermutlich ohnehin zu einer weiterführenden Schule pendeln müssten. Außerdem wären gerade im ländlichen Bereich viele Familien auch Hauseigentümer und könnten diese nicht ohne weiteres verkaufen.

(APA)

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