Netzwerken im 18. Jahrhundert

Elisabeth Reisinger
Elisabeth Reisinger(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Musikhistorikerin Elisabeth Reisinger untersucht in ihrer Dissertation die sozialen Netzwerke der Musiker rund um Erzherzog Maximilian Franz.

Sie kam wie die meisten Musikhistoriker zu ihrem Fach: über die Musik. Elisabeth Reisinger beherrscht hervorragend die Klarinette und spielte in der Blasmusik und im Jugendorchester ihres Heimatortes. Derzeit wird das Instrument jedoch sträflich vernachlässigt. Die studierte Musik- und Geschichtswissenschaftlerin schreibt nämlich an ihrer Dissertation zum Thema „Das musikalische Netzwerk des Erzherzogs Maximilian Franz in Wien“. Diese entsteht gerade im vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekt „Die Opernbibliothek von Kurfürst Maximilian Franz“ am Institut für Musikwissenschaften der Universität Wien.

Maximilian Franz wurde 1756 als jüngstes Kind Maria Theresias geboren. Die Habsburger sind für ihre Musikförderung und -pflege bekannt. Die Musik nahm einen großen Teil der Erziehung ein. Die musikalische Ausbildung von Maximilian begann daher schon sehr früh wie die in Lesen, Rechnen und Religion. „Musik zu rezipieren und zu praktizieren war nicht nur bei der Herrscherfamilie, sondern auch beim Adel ein Muss, um sich seiner Herkunft entsprechend in der Gesellschaft bewegen zu können“, so Reisinger.

Musik im Zentrum des Sozialgeschehens

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Musik immer mehr vom Repräsentationswerkzeug zum sozialen Geschehen. Das Musikgeschehen fand nicht mehr nur am Wiener Hof statt, sondern verlagerte sich auch in adelige Palais wie in das der Adelsfamilie Lobkowitz. Neben den Mitgliedern der Hofmusikkapelle und der Kammermusik nahmen Adelige, aber vermutlich auch Bedienstete mit musikalischem Talent am Musizieren der Habsburger Teil. Die Herrscherfamilie erweiterte dadurch ihr soziales Umfeld, auch in Richtung Künstler.

Reisinger interessiert unter anderem die gesellschaftsstiftende Rolle des gemeinsamen Musizierens. „Vor allem in der eher komplizierten Beziehung zwischen Maximilian und seinem Bruder Joseph II. dürfte die Musik ein wesentliches Element gewesen sein, über das sich die beiden austauschten.“ Beide verkehrten auch außerhalb des Hofes, etwa im Salon der Gräfin Thun, wo sie etwa Christoph Willibald Gluck begegneten.

Ein zweiter Schwerpunkt von Reisingers Arbeit sind die Musiker selber. Wie bewegten sie sich in der aristokratischen Welt und wie nutzten sie ihre Beziehungen? Früher waren sie als Hofmusiker stark an den Hof gebunden. Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurden sie zunehmend freiberuflich tätig und waren daher von Zuwendungen des Adels abhängig. Sie versuchten, ihre sozialen Beziehungen auszuweiten, sie wirtschaftlich zu nutzen und über diese Netzwerke neue Leute kennenzulernen. Werkaufträge nahmen zu. Widmungen von Werken wurden ganz gezielt zur Förderung der eigenen Karriere eingesetzt.

Diese quasi damals schon einsetzende Selbst-PR der Künstler beherrschten manche besser, manche schlechter. „Beethoven gelang es beispielsweise besonders gut. Der junge Beethoven profitierte von seiner Bekanntschaft mit dem Erzherzog Maximilian Franz. Dieser finanzierte ihm die Reise nach Wien und ermöglichte ihm die Ausbildung bei Haydn“, erzählt Reisinger.

Der Erzherzog, der als Kurfürst von Köln den Bonner Hof übernahm, schätzte Mozart über alle Maßen und wollte ihn zu seinem Hofkapellmeister machen. Dazu kam es aber aus unbekannten Gründen nie. Das Amt des Konzertmeisters der kurfürstlichen Hofmusik wurde Joseph Reicha übertragen, der es für sich geschickt zu nutzen wusste. Er nahm seinen Neffen, Antonín Reicha, der später der Lehrer von Franz Liszt werden sollte, mit an den Bonner Hof.

Niedergeschlagen hat sich die soziale Vernetzung Maximilians in einer sehr umfangreichen Musikaliensammlung, die ursprünglich rund 3400 Werke umfasste.

ZUR PERSON

Elisabeth Reisinger wurde 1988 in Neunkirchen (NÖ) geboren und studierte Musikwissenschaft und Geschichte an der Uni Wien. 2010 bis 2011 arbeitete sie am Landesmuseum Burgenland in einem Projekt zur Aufarbeitung der dortigen Musikaliensammlung. 2013 bis 2014 war sie an der inhaltlichen Konzeption und wissenschaftlichen Ausführung der Ausstellung „Franz Liszt – Wunderkind, Weltstar, Abbé“ im Liszt-Zentrum in Raiding im Burgenland beteiligt.

Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.