Tescos Kampf gegen die Deutschen

Retail Operations Inside A Tesco Plc Supermarket Grocery Store
Retail Operations Inside A Tesco Plc Supermarket Grocery Store(c) Bloomberg (Jason Alden)
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Die britische Tesco-Kette hat den größten Verlust ihrer Firmengeschichte eingefahren. Der Aufstieg von Aldi und Lidl scheint fast unaufhaltsam.

London. Es ist einer der größten Verluste, die ein britisches Unternehmen je verbucht hat: Die britische Supermarktkette Tesco hat mit einem Minus von 6,4 Milliarden Pfund (8,9 Mrd. Euro) vor Steuern im Geschäftsjahr 2014/15 den größten Verlust ihrer fast 100-jährigen Firmengeschichte eingefahren. Der Umsatz der Gruppe gab um drei Prozent auf 69,65 Mrd. Pfund (97,8 Mrd. Euro) nach.

Dabei – so sind britische Analysten und Handelsexperten überzeugt – hat der im September 2014 angetretene Tesco-Vorstand Dave Lewis eigentlich bisher alles richtig gemacht. Er hat 43 unrentable Filialen geschlossen und die Preise gesenkt, um gegen die starke Konkurrenz der deutschen Diskonter Lidl und Aldi bestehen zu können.

Damit konnte Lewis zumindest den Umsatzrückgang von Tesco am Heimmarkt abschwächen. Anfang des Jahres hatte Tesco im Jahresvergleich sogar ein zartes Umsatzplus von 0,3 Prozent vorzuweisen und schnitt damit besser ab als die Rivalen Sainsbury, Asda und Morrisons (Safeway), deren Geschäft schrumpfte. Der Druck auf die Margen und Abschreibungen allein auf Immobilien in der Höhe von 4,7 Mrd. Pfund führten dennoch zum Rekordverlust.

Aldi mit 35 Prozent Umsatzwachstum

Nicht ganz unbeteiligt daran ist die rasante Aufholjagd der deutschen Diskonter, die mit teils zweistelligen Zuwachsraten ganz kräftig an den Marktanteilen von Tesco knabberten.

Der Marktanteil von Aldi legte in Großbritannien nach aktuellen Zahlen des Marktforschungsinstituts Kantar Worldpanel in den vergangenen zwölf Wochen von 2,9 auf 3,7 Prozent zu, während Rivale Lidl um 0,2 Prozentpunkte auf drei Prozent wuchs. Auch die Umsätze von Aldi und Lidl wachsen in Großbritannien immer noch kräftig, das Wachstum verlangsamt sich aber etwas. Im April des Vorjahres hatte Aldi mit einem Umsatzplus von 35 Prozent den vorläufigen Höhepunkt erreicht, im März dieses Jahres lag es unter 20 Prozent. Im abgelaufenen Jahr lag der Umsatz von Aldi auf der Insel laut Firmen-Homepage bei umgerechnet 5,5 Mrd. Euro, das Vorsteuerergebnis verdoppelte sich auf 221 Mio. Euro. Bald soll für die Briten die 500. Aldi-Filiale eröffnen, etwa 400 Millionen Pfund stecken die Deutschen in die Expansion, die allein dieses Jahr für 50 neue Läden sorgen wird.

Geschmack der Briten getroffen

Aldi ist bei den Briten nicht nur wegen seiner niedrigen Preise beliebt. Der britische Aldi-Co-Chef Matthew Barnes erklärt sich den Erfolg dadurch, dass die Produktpalette an den Geschmack der Briten angepasst und lokale Produzenten in den Kreis der Lieferanten aufgenommen wurden. Auf die britische Herkunft der Waren weisen in den Filialen große Hinweisschilder hin.

Zudem profitieren die deutschen Diskonter von der wachsenden Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen (GB gehört zu den Ländern Europas mit dem höchsten Gini-Koeffizienten). Diese befeuert einerseits den Zulauf zu den Diskontern, andererseits profitiert das hochwertige Segment, das in Großbritannien von der Kette Waitrose bedient wird. Zusammen haben Waitrose, Aldi und Lidl Tesco in den vergangenen drei Jahren drei Prozent Marktanteile abgenommen. Laut den verschiedenen Marktbeobachtern bewegen sich diese nun zwischen 25 und 30 Prozent.

Und das Jammertal ist noch nicht durchschritten: „Der Markt bleibt schwierig, und wir erwarten in den kommenden Monaten keine Besserung“, sagte Tesco-Vorstand Lewis am Mittwoch. Deshalb könne auch der Gewinn aus dem operativen Geschäft im laufenden Jahr noch weiter zurückgehen.

Lewis, der vom Lebensmittelkonzern Unilever zu Tesco gewechselt ist, hatte wahrlich keinen leichten Start. Kurz nachdem er sein neues Amt angetreten hatte, musste er bekannt geben, dass Tescos Gewinnprognose für die Zeit von März bis August 2014 um 250 Mio. Pfund überschätzt worden war. Eine Untersuchung durch das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte ergab, dass Tesco seine Gewinne um insgesamt 263 Mio. Pfund (334 Mio. Euro) zu hoch angegeben hatte. Die britische Anti-Betrugsbehörde ermittelt noch. (es/Ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

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