Wähler sind oft überraschend geduldig. Zum Stimmvieh degradieren lassen will man sich aber auch nicht.
Lassen wir in Polen bitte die Kirche im Dorf: Man kann natürlich alles dramatisch aufladen, aber einen Rechtsruck, wie bisweilen zu lesen war, stellt die Wahl des Konservativen Andrzej Duda zum neuen Präsidenten noch nicht dar. Der Staatschef ist zwar in Polen mehr als ein Grüßaugust, die Politik wird aber primär von der Regierung gemacht. Und ein Erdrutschsieg war es ja auch nicht.
Nein, Polens Wähler haben einer als selbstherrlich empfundenen Politelite eine Lektion in Demokratie erteilt. Eine Wahl besteht ja in unseren Breiten schon darin, dass der Sieger nicht vorab feststeht. Doch diesen Eindruck hatte Bronisław Komorowski, dem die Polen die Wiederwahl verweigerten, erweckt und den Wahlkampf lange gleich ganz verweigert – nach dem Motto „Wen sollten die Polen schon groß wählen, wenn nicht mich?“.
Wähler sind ja oft überraschend geduldig – zum bloßen Stimmvieh degradieren lassen wollen sie sich aber auch nicht. Und vielleicht ist man in einem Land, das sich das Recht auf demokratische Meinungsäußerung vor nicht allzu langer Zeit erst erkämpfen hat müssen, da besonders sensibel.
E-Mails an:helmar.dumbs@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2015)