Polen: Staatspräsident muss plötzlich um sein Amt zittern

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Der rechtsnationale Oppositionskandidat Duda hat im ersten Durchgang die meisten Stimmen bekommen – und dank des Rockmusikers Kukiz gute Chancen in der Stichwahl gegen Komorowski.

Warschau. Die ersten Teilresultate der Präsidentenwahlen in Polen bestätigen den Trend der Exit Polls: Der favorisierte Amtsinhaber Bronisław Komorowski muss nicht nur in die Stichwahl, er wurde sogar vom bisher kaum bekannten rechtsnationalen Herausforderer Andrzej Duda geschlagen. Nach der Auszählung von 27 der 51 Wahlkreise erschien Komorowskis überraschende Niederlage am Montag jedoch noch erheblich größer als in der Wahlnacht. Duda lag da mit 36,7 Prozent fast fünf Prozentpunkte vor Komorowski (32 Prozent). Leicht verbessern konnte sich mit 20,8 Prozent auch der drittplatzierte Rockmusiker Pawel Kukiz. Das vorläufige Endergebnis wurde für Montagabend erwartet.

Polens Ex-Dissident Adam Michnik reagierte auf den überraschenden Wahlausgang mit einem dramatischen Aufruf. „Es sieht so aus, als drohe Polen in die Hände unberechenbarer und inkompetenter Leute zu fallen“, kommentierte er in der „Gazeta Wyborcza“. Michnik erinnert an die politischen Provokationen während der zwei Regierungsjahre von Jarosław Kaczyński, der im November den jetzigen Wahlsieger überraschend zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gekürt hatte. Der Publizist Michnik warnte vor einer neuerlichen PiS-Regierung dank der Stimmen von Kukiz' Anhängern.

Tour durch die Provinzstädte

Aufrichtige Freude herrschte dagegen im rechtskatholischen Nischenblatt „Nasz Dziennik“. Die beiden Wahlstäbe hätten die Frucht ihrer Arbeit geerntet, lautet hier der Tenor. Komorowski hat den Wahlkampf siegesgewiss auf die leichte Schulter genommen und sich nicht einmal zur Schlussdebatte ins Fernsehstudio bemüht. Seine Herausforderer stempelte er als unerfahren ab. Der sich gern auf seine adlige Abstammung berufende Komorowski ließ gar durchblicken, es sei eine Zumutung, gegen solche Kandidaten antreten zu müssen. Der vor der Wahl fast nur Insidern bekannte Duda dagegen besuchte während des Wahlkampfes weit über 100 Provinzstädte und gab sich offen und volksverbunden.

„Diese Resultate muss man als ernstes Signal für die Regierung sehen“, sagte Komorowski in einer kurzen Ansprache nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse zerknirscht. Dann wandte sich der Amtsinhaber, der Anfang des Jahres in Umfragen noch 70 Prozent Zustimmung genossen hatte, vor allem an die Protestwähler des Punkrockers Kukiz und bot ihnen ein Referendum über die Einführung des Mehrheitswahlrechts an. Dies klang kaum glaubwürdig, weil Komorowski als Gegner von Volksbefragungen bekannt ist. Doch seiner Partei PO steht seit Sonntag das Wasser bis zum Hals. Premierministerin Ewa Kopacz hatte die Wiederwahl ihres rechtsliberalen Parteigenossen zum wichtigsten Projekt ihrer Regierung erklärt. Denn bereits im Herbst stehen Parlamentswahlen an. „Wir müssen das Vertrauen in die Demokratie und Bürgergesellschaft wiederherstellen“, sagte nun Komorowski sichtlich hilflos.

Euphorie herrschte dagegen in den Wahlstäben von Duda und Kukiz. Der Punkrocker trat am Rand eines Rockkonzertes im ostpolnischen Lublin staatsmännisch im weißen Hemd auf und überließ es seinen Wählern, wen sie in der Stichwahl am 24. Mai unterstützen. Kukiz versprach seinen Anhängern die Gründung einer Partei und den Durchmarsch bei den Parlamentswahlen. Er selbst werde „nie im Leben“ für Komorowski stimmen, sagte Polens überraschender Königsmacher im Wahlkampf. Folgen seine Wähler dieser Ansage, so ist Dudas Wahlsieg Ende Mai praktisch sicher.

Auf einen Blick

Andrzej Duda (42) ist Kandidat der rechtskonservativen Opposition. Der Jurist war Vize-Justizminister in der Regierung von Jarosław Kaczyński sowie Unterstaatssekretär in der Präsidentschaftskanzlei.

Bronisław Komorowski (62)
ist seit 2010 Präsident Polens. Er ist Mitglied der liberalkonservativen Bürgerplattform und war Verteidigungsminister sowie Parlamentspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2015)

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