Pop

Gehörnte Hand gegen den bösen Blick

So grüßt man im Reich des Metal: Fans strecken James Hetfield, dem Sänger von Metallica, am 4. Juni in Wien die bösen Finger entgegen.
So grüßt man im Reich des Metal: Fans strecken James Hetfield, dem Sänger von Metallica, am 4. Juni in Wien die bösen Finger entgegen.Picturedesk.com/Hörhager
  • Drucken

Gegen die Dämonen des Mainstreams sollen den harten Rockern nicht nur Lärmkaskaden, sondern auch Satansgruß, Totenschädel und schwarzes Gewand helfen. Doch was heißt all das?

Zeigefinger und kleiner Finger gen Himmel gestreckt, während die anderen Griffel abgewinkelt in der Hand ruhen: Dieses Zeichen wird man ab Donnerstag bei Rock in Vienna auf der Donauinsel massenweise sehen. Doch was bedeutet es? In Metalkreisen nennt man diese uralte Geste mit dem in dieser Szene obligatorischen Sinn für Dramatik Satansgruß; in Italien heißt sie Mano cornuta (für „gehörnte Hand“); deutsche Blödler profanisieren sie gern als Pommergabel. Die ältesten Abbildungen finden sich auf etruskischen Gräbern. Im alten Tibet wollte man damit Dämonen vertreiben.

Die Metalszene zeigte stets Interesse an derlei gemeinschaftsstiftenden Zeichen. Zur Einführung des Satansgrußes in die Rockerwelt existieren zwei Theorien. Die erste stammt von Gene Simmons, der mit seiner Band Kiss – am Samstag bei Rock in Vienna – das Zungezeigen zur Erwachsenensportart umgedeutet hat. In seiner Autobiografie behauptet er, er habe die Geste erfunden. Als Beweis führt er das (gemalte!) Cover des Albums „Love Gun“ von 1977 an, auf dem er sie mit am Körper angehaltenem Arm praktiziert.

Die andere Überlieferung erzählt von der abergläubischen Oma des Sängers Ronnie James Dio, die die Geste in Situationen einsetzte, als es galt, einen bösen Blick abzuwehren. Der gelehrsame Enkel habe sich diesen magischen Kniff gut eingeprägt und später in die Welt des Heavy Metal eingeführt.

Tatsächlich geisterte der Satansgruß schon länger durch die Sphären des Pop. 1969, ein Jahr vor dem Debütalbum der britischen Black Sabbath, die als Begründer des Heavy Metal gelten, kam „Witchcraft Destroys Minds & Reaps Souls“ von der US-Psychedelic-Rockband Coven auf den Markt. Kurios: Eines ihrer Stücke hieß „Black Sabbath“ und der Bassist Oz Osborne. In ihrer düsterer Ästhetik war alles zu finden: auf Latein gebrummelte Verse, das Bekenntnis „Hail Satan“, die Mano cornuta sowie Petruskreuze, invertierte Kreuze, die die Umkehrung der christlichen Werte symbolisieren. Auch weit harmlosere Bands tändelten mit dem Satansgruß. Etwa die Beatles. Für Verschwörungstheoretiker, die glaubten, dass Paul McCartney seit 1966 tot sei und bei den Beatles durch einen Doppelgänger ersetzt wurde, hielt das Cover von „Yellow Submarine“ einen weiteren Hinweis bereit: John macht das böse Zeichen über dem Kopf von Paul.

Die 2010 verstorbene Rockikone Ronnie James Dio war klug genug, für die durch ihn ausgelöste Popularisierung der Mano cornuta kein Exklusivrecht anzumelden. „Ich bezweifle stark, dass ich der Erste war“, sagte er, „aber man muss wohl sagen, dass ich die Geste populär gemacht habe. Sie war mein Markenzeichen, bis das Britney-Spears-Publikum beschloss, sie auch zu verwenden. Da hat sie dann ihre Bedeutung verloren.“ Ungemach droht diesem früher so verschwörerischen Zeichen nicht nur vom Popmainstream. In Zeiten der Digitalisierung muss sich Fingersymbolik auch elektronisch darstellen lassen. Dafür kann man unter mehreren Spielarten wählen, etwa: ImI oder /,,/.

Die Liebe zu Martialischen, die sich etwa im inflationären Gebrauch von auf Jeansjacken aufgenähten Totenschädelbildchen zeigt, hat ihre Ursache wohl darin, dass die wilden Rocker im Grunde eher ängstliche Wesen sind. Alles steht im Zeichen der Abwehr. Die Lieblingsfarbe im Metal ist Schwarz, Symbol der Lichtlosigkeit, der Unergründlichkeit, der Trauer. Selbst Good-Time-Rocker wie AC/DC propagieren „Back in Black“. Weniger als ein Zehntel der Bevölkerung nennt Schwarz als Lieblingsfarbe, darunter die letzten Nachkriegsexistenzialisten und eben sämtliche Rocker, die jährlich im Niemandsland der Rockfestivals ihr Zelt aufschlagen. Dass man sie dann nicht einmal mit einem schreiend rosaroten Anzug provozieren kann, weiß der Hamburger Rapper Jan Delay, seit er 2013 ein Video beim Rockfestival in Wacken gedreht hat. „Dort kommen die liebsten und freundlichsten Menschen zusammen“, sagte er danach erstaunt.

Und die Piratenflagge? Auch vor dem „Jolly Roger“ muss man sich nicht fürchten, dieser schwarzen Piratenflagge mit Totenschädel und überkreuzten Knochen, die zum Standardausdrucksrepertoire der Metalfans gehört. Sie ist ein Memento mori, das dem Feind zeigen soll, dass der Tod stets nahe ist. Den eigenen verdrängt man idealerweise. Gutes Beispiel ist der 76-jährige Neorocker Heino, der sein markantes R neuerdings vor Totenkopfemblem rollt. Die Popularisierung des Motivs hat der rockaffine Motorradklub Hell's Angels vorangetrieben. Das Logo dieser internationalen Organisation ist ein Schädel mit Flügeln und Helm. Das könnte vom Kuratorium für Verkehrssicherheit ersonnen worden sein. Aber wahrscheinlich sitzen dort ohnehin viele geeichte Rocker...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Pop

Im Zeichen von Freud und Klimt

Bei Rock in Vienna (ab 4.Juni) wird zumindest das Bühnenbild ungewöhnlich.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.