Malaysian Airlines: Das Ende einer Unglücksfluglinie

(c) REUTERS (OLIVIA HARRIS)
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Die Fluglinie, die 2014 zwei Jets durch rätselhaftes Verschwinden und (wohl) durch einen Abschuss verlor, löst sich auf und wird neu gegründet. 6000 Mitarbeiter müssen gehen.

Kuala Lumpur. 69 Jahre nach ihrer Gründung (damals als Malayan Airways) stehen die Malaysia Airlines vor einem Ende, das gleichzeitig ein Neuanfang sein soll: Der seit Kurzem amtierende Geschäftsführer, der Deutsche Christoph Müller (52), entlässt 6000 der 20.000 Mitarbeiter; auch an die übrigen 14.000 hat man Kündigungen geschickt, die meisten sollen aber in ein neues Unternehmen übernommen werden; das jetzige wird noch im August abgewickelt.

Der wirtschaftliche Niedergang hat sich seit einem Dreivierteljahr abgezeichnet und einen unglücklichen Hintergrund: Die Firma, die zurzeit 98 Flugzeuge betreibt und Ziele vor allem in Asien, Australien und Europa anfliegt, flog seit 2011 1,2 Milliarden Euro Verlust sein.

Den Fangschuss aber versetzten der vom malaysischen Staatsfonds Khazanah kontrollierten Airline zwei Vorfälle, die die Buchungszahlen kollabieren ließen. Am 8. März 2014 verschwand eine Boeing 777-200ER mit 239 Insassen auf dem Nachtflug von Kuala Lumpur nach Peking (Flug MH 370); und am 17. Juli 2014 krachte ein Flugzeug vom gleichen Modell mit 298 Insassen auf der Route Amsterdam nach Kuala Lumpur (MH 17) in die glühenden Weiten der Ostukraine, präziser die dortigen Rebellenlande.

Weithin wird heute angenommen, dass eine Luftabwehreinheit der russischen Armee aufseiten der Separatisten den Jet mit einem mobilen Raketensystem Typ Buk (SA-11 Gadfly oder SA-17 Grizzly) abgeschossen habe, vermutlich war er mit einem Flugzeug der ukrainischen Luftwaffe verwechselt worden. Zuletzt gab es dazu interessante Neuigkeiten (siehe unten).

Ein Abschied ins Nirgendwo

Was die verschwundene Triple-7 betrifft, ist dieses bisher größte Rätsel der Aeronautikgeschichte ungelöst und sehr kompliziert. Einfach gesagt: Die fast zwölf Jahre alte, technisch einwandfreie Boeing – das Gros der Passagiere waren Chinesen (152) und Malaien (50) – hob um 0.42 Uhr Ortszeit ab, um 1.19 Uhr verabschiedete sich der Kopilot von Malaysias Luftraumkontrolle. Zwei Minuten später, über dem Meer vor Vietnam, hörte der Jet auf, jene Signale zu senden, die ihn im passiven Sekundärradar (das häufigste Radar im Zivilflugverkehr) sichtbar machen.

Aktiv (mit Wellenemissionen) arbeitende Militärradars Malaysias und Thailands konnten den Jet noch für eine Stunde verfolgen – allerdings flog er mit Kurs West über die Straße von Malakka. Auf der Länge der Westspitze Indonesiens geriet er um 2.22 Ortszeit außer Sichtweite auch der Militärs, die den Jet nicht für eine Bedrohung hielten, auch, weil er auf normalen Luftstraßen flog, wenngleich angeblich in ungewöhnlichen Höhen.

Auch die automatischen Signale des Acars-Systems (es übermittelt per Satellit in längeren Abständen Zustandsdaten) waren deaktiviert. Doch: Acars sandte über mehrere Stunden noch „Handshakes“, das sind Einwählversuche, die sich nicht abschalten lassen, und weil sie noch bis 8.11 Uhr ankamen, wird gefolgert, dass das Flugzeug bis dahin intakt war und jemand die Kommunikation absichtlich abgedreht haben musste.

Nach vielem Hin und Her und hochgradig komplexen mathematischen Analysen wurde als vermutliches Absturzgebiet (irgendwann musste der Sprit ausgehen) ein weiter Raum im südlichen Indischen Ozean, 2500 Kilometer südwestlich/westlich von Perth in Westaustralien ausgemacht. Eine gewaltige Suchaktion hat bis heute dort nichts gefunden, auch nicht auf dem dort meist völlig flachen Meeresboden in bis zu 4500 Metern Tiefe. Seit Herbst 2014 sucht die niederländisch Spezialfirma Fugro das Meer ab, unterstützt von Schiffen aus den USA und Australien.

Man hat die Aktion im Mai wegen des südlichen Winters und der dann dort üblichen schweren See unterbrochen, sie geht in frühestens drei Monaten weiter. Es mehren sich die Rufe, die Suche zu beenden, sie sei praktisch sinnlos und das Geld dafür stecke man besser in die Flugsicherheit.

Abschuss? Schwarzes Loch?

Zur Ursache des Verschwindens wuchern Theorien: Der Kapitän, damals 53, soll familiäre Probleme gehabt und eine Selbstmordaktion inszeniert haben, dazu gibt es aber kontroversielle Angaben; weil er mit einem Flugsimulator die Landung auf kurzen Pisten auf kleinen Inseln geübt habe, heißt es, es könnte eine Entführung auf eine solche gewesen sein. Auch dafür gibt es keine Beweise, ebenso wie für die Theorie, der Jet könne bei einem US-thailändischen Manöver abgeschossen, von terroristischen Hackern elektronisch übernommen oder gar in ein lokal begrenztes schwarzes Loch geflogen sein. Was bleibt, ist ein Rätsel. (wg/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)

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