Klarheit, bevor die Eizelle befruchtet wird

Schwangere Frau - pregnant lady
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Medizin. Was passiert, wenn Eizellen ganz gezielt für eine künstliche Befruchtung ausgewählt werden? Erstmals gibt es dazu eine Studie für Österreich: Fast doppelt so viele Frauen wurden schwanger und haben ein Kind geboren.

Vor zehn Jahren wurde in Österreich die erste Frau schwanger, bei der die Eizelle vor der künstlichen Befruchtung genetisch untersucht wurde. Genetiker Markus Hengstschläger führte damals den Test durch, Gynäkologe Wilfried Feichtinger die In-vitro-Fertilisation (IVF). Jetzt legen sie die erste Studie mit Zahlen für Österreich zu dieser Form der Präimplantationsdiagnostik vor.

Dazu wurden 351 Patientinnen zwischen 35 und 45 Jahren untersucht, die zum Teil schon mehrere erfolglose künstliche Befruchtungen hinter sich hatten. Das Ergebnis: Die Lebendgeburtenrate in der Gruppe mit Eizellenuntersuchung war mit 26,4 Prozent fast doppelt so hoch wie in der Kontrollgruppe (14, 9 Prozent). Die Forscher veröffentlichten ihre Erkenntnisse nun in der Fachzeitschrift Plos One.

Je älter, desto defekter

Das Durchschnittsalter von Frauen mit Kinderwunsch steigt. Oft geht dieser aber auf natürlichem Weg nicht mehr in Erfüllung, die Paare entscheiden sich für eine IVF. Doch auch dabei steigt das Risiko: „Je älter die Frau ist, desto mehr Eizellen haben genetische Schäden. Diese verhindern eine Schwangerschaft oder können mit einer Fehlgeburt enden“, sagt Hengstschläger, der das Institut für Medizinische Genetik der Wiener Med-Uni leitet. Die nun präsentierte Forschungsarbeit ist gemeinsam mit seinen Kollegen Franco Laccone und Jürgen Neesen entstanden. Während bei einer 30-jährigen Frau meist noch mehr als 70 bis 80 Prozent der Eizellen einen normalen Chromosomensatz aufweisen, sinkt der Prozentsatz mit dem Alter stetig: Bei einer 40-Jährigen seien nur noch 35 Prozent und bei einer 45-jährigen Frau nur mehr zehn bis 15 Prozent der Eizellen genetisch unauffällig, so Hengstschläger.

Eizelle gezielt aussuchen

Bei einer IVF vereint man Ei- und Samenzellen außerhalb des Körpers. Noch bevor Ei- und Samenzellen miteinander verschmelzen, halbieren die Eizellen die genetische Information der Mutter und die Samenzellen die des Vaters. „Nach der Verschmelzung soll ja nicht alles doppelt vorliegen, sondern von jedem die Hälfte“, so Hengstschläger.

Bei Samenzellen bleibt am Ende eine Zelle mit dem halben Informationssatz über. Bei der Eizelle entstehen dabei auch immer sogenannte Polkörper: kleine Zellen, in die die Eizelle die Hälfte des genetischen Materials schleust. Diese schnüren sich anschließend ab und lösen sich auf.

Bei der sogenannten Polkörperdiagnostik untersucht man diese Zellen auf Defekte. Warum aber nur die weibliche Erbinformation? „Der überwiegende Teil genetischer Veränderungen, die entweder gar nicht zu einer Schwangerschaft oder zu Fehlgeburten führen, ist in der Eizelle nachweisbar“, so Hengstschläger. Wählt man nach der Untersuchung der Polkörper gezielt nur entwicklungsfähige Eizellen ohne genetische Schäden aus, erhöht das die Erfolgsrate in der IVF, zeigten die Forscher jetzt auch für Österreich.

Für die Frauen würden sich durch die Polkörperdiagnostik jedenfalls klare medizinische, psychische und ökonomische Vorteile ergeben, so die Studienautoren. Ethische Schwierigkeiten sehen sie nicht, die Methode sei gut vertretbar. Die Frage sei vielmehr, ob es ethisch vertretbar sei, diese genetische Untersuchung Patientinnen vor der IVF nicht anzubieten.

LEXIKON

Polkörper bilden sich, wenn Eizellen die genetische Information der Mutter teilen, damit bei der Verschmelzung mit Samenzellen kein doppelter Chromosomensatz vorliegt.

Bei der Polkörperuntersuchung wird eine entnommene Eizelle noch vor der künstlichen Befruchtung getestet: So sollen Defekte frühzeitig erkannt werden und Eizellen, die keine Schwangerschaft auslösen oder Fehlgeburten verursachen, ausgeschlossen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2015)

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