Rücktritt: Deutsche Bank wechselt Spitze aus

(c) REUTERS (KAI PFAFFENBACH)
  • Drucken

Die glücklosen Bankchefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen ziehen Konsequenz aus milliardenschweren Rechtsstreitigkeiten und machen den Weg für einen radikalen Neuanfang frei.

Frankfurt. „Mr. Jain, please take your hat!“ Unverblümt formulierte ein Kleinaktionär auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank vor rund zwei Wochen sein Anliegen. Es war nicht die einzige Rücktrittsforderung an Vorstand Anshu Jain. Seit Wochen stehen er und sein Vorstandskollege Jürgen Fitschen im Kreuzfeuer geballter Kritik. Wobei nicht nur Großinvestoren und Kleinaktionäre angesichts milliardenschwerer Rechtsstreitigkeiten, hoher Kosten und zu geringer Margen die Nase voll haben. Aufsichtsratspräsident Paul Achleitner zeigte angesichts des „äußeren Erscheinungsbildes“ und des enttäuschenden Aktienkurses zuletzt offen seine Unzufriedenheit. Vor wenigen Tagen legte noch der Betriebsrat nach, indem er Jain aufs Korn nahm und einen „radikalen Neuanfang“ forderte.

Jetzt geben Jain und Fitschen auf. Nach einer Sondersitzung des Aufsichtsrats gab die Deutsche Bank den Rückzug der beiden Topmanager bekannt. Jain verlässt schon Ende Juni das größte deutsche Finanzinstitut, er soll bis Jänner 2016 als Berater fungieren. Fitschen geht im Mai 2016 bei der nächsten Hauptversammlung.

Neuer Boss ist John Cryan

Nachfolger von Jain wird mit 1. Juli John Cryan. Der frühere Finanzvorstand der Schweizer UBS sitzt seit 2013 im Aufsichtsrat der Deutschen Bank und kennt das Institut daher sehr gut. Zudem leitet er den Prüfungsausschuss und gehört auch dem Risikoausschuss an. Nach dem Ausscheiden von Fitschen wird Cryan als alleiniger Vorstandschef der neue starke Mann der Bank.

Mit dem Rückzug zieht das glücklose Duo die Konsequenz einer wenig überzeugenden Arbeit. Die Rechnung bekam es für alle Welt sichtbar auf der Hauptversammlung präsentiert. 39 Prozent der Aktionäre verweigerten die Entlastung – ein Schockergebnis, das es in der Geschichte der Bank noch nie gegeben hat. Jain und Fitschen betonten zwar, sie würden bleiben, weil sie die Bank in die richtige Richtung steuerten, auch wenn der Umbau länger dauere. Aber das Warnsignal an den Aufsichtsrat war unübersehbar. Wenn einmal Großinvestoren einem Unternehmen den Rücken kehren, fehlt diesem bald das Kapital.

Geldwäscheverdacht in Russland

Geld braucht die Deutsche Bank mehr denn je: In 7000 juristische Streitfälle soll sie verwickelt sein. Die größten Brocken davon sind die Affäre um die Manipulation des Libor-Zinssatzes, die allein eine Buße von 2,3 Mrd. Euro nach sich zog, und jene um den Verkauf minderwertiger Hypothekenpapiere. Allein im Vorjahr mussten für Bußgelder mehr als drei Mrd. Euro zurückgestellt werden, was den Gewinn atomisiert hat. Der jüngste Skandal kochte erst in diesen Tagen hoch: Es geht um Geldwäsche in Russland, in die Mitarbeiter der Bank verwickelt sein sollen.

Sprach man noch im Mai von einer dreistelligen Millionensumme, so ist jetzt die Rede von mehr als sechs Mrd. Dollar. Russische Kunden sollen zwischen 2011 und 2015 über die Deutsche Bank Papiere in Rubel gekauft haben, die ihnen die Bank in London in Dollar wieder abkaufte, hieß es. Mit der Suspendierung einiger Mitarbeiter dürfte der Skandal nicht aus der Welt geschafft werden können. Vielmehr vertieft er den Eindruck einer zu laschen Führung.

Daran ändert auch die neue Strategie nichts, deren Details zumindest Jain nicht mehr präsentieren wird. Ganz im Gegenteil: Zu wenig und zu spät, lautete die erste Reaktion an den Börsen. Fix ist bisher nur, dass die Postbank verkauft, ein Drittel der 750 Bankfilialen geschlossen und Teile des Investmentbankings abgestoßen werden. Für die radikale Lösung, die den Abschied vom kompletten Privatkundengeschäft bedeutet hätte, hat sich nur Spartenchef Rainer Neske eingesetzt. Jains schärfster Widersacher wurde vor kurzem abgelöst. (ag/eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.