Sorgen ums Papiergold in New York

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Standen die New Yorker Großbanken Anfang dieses Monats kurz vor einer Goldinsolvenz? Daten deuten darauf hin. Aber wer war der Retter in letzter Gold-Not? Etwa die Federal Reserve?

Wien/New York.Für die Inkas war Gold der Schweiß der Sonne – und bis heute bringt das Metall die Anleger oft ins Schwitzen. Betroffen sind aber meist nicht die Käufer physischen Goldes. Wer Münzen und Barren kauft, sperrt diese weg und kümmert sich erstmal um etwas anderes. Nur so entfaltet das seit Jahrtausenden von den Menschen geschätzte Metall seine ganze Kraft als ultimatives Geld, als Stoßdämpfer gegen Währungsschocks und als als eiserne Reserve.

Man muss sich nur die Goldpolitik der europäischen Zentralbanken ansehen, um die Rolle des Goldes zu verstehen. Denn diese verhalten sich im Prinzip wie extrem große Kleinanleger. Gold ist für sie eine Versicherung für harte Zeiten, der Plan B – es ist gebundenes Kapital oder schlicht Erspartes. Trotzdem wurde auf dem Goldmarkt in den vergangenen Wochen gehörig geschwitzt. Denn der Goldmarkt in seiner Gesamtheit besteht aus viel mehr als aus Münzen und Barren. Zu diesem echten Gold ist in den vergangenen Jahrzehnten ein Berg an Papiergold hinzugekommen.

Darunter kann man jede Form von Derivat verstehen, mit dem zwar auf den Verlauf des Goldpreises gewettet wird, physisches Gold sich aber kaum bewegt, weil etwa entsprechende Terminkontrakte nie bis zu ihrer tatsächlichen Fälligkeit gehalten werden. Freilich ist dieser Markt für Papiergold hundertmal größer als jener für physische Ware. Das allein wäre noch kein Problem – auch wenn die Vorstellung auf den ersten Blick schockieren mag.

War es ein Bank Run?

Tatsächlich ist der Handel mit Derivaten ein Marktplatz wie jeder andere – nur beim Gold eben besonders heikel. Da an der Comex an manchen Tagen hunderte Tonnen von Gold theoretisch gehandelt werden, ist die New Yorker Terminbörse längst zur wichtigsten Institution für die Festlegung des Goldpreises geworden. All das ist in der modernen Finanzwelt völlig normal, legal und üblich.

Problematisch wird es aber dann, wenn die Golddeckung der ausstehenden Kontrakte nicht mehr gewährleistet ist. Wenn also zu viele Käufer auf den Terminmärkten gleichzeitig nach der Auslieferung von physischem Gold verlangen – statt sich mit einer Auszahlung in Dollars zufriedenzugeben. Im Prinzip leidet das Papiergold unter demselben Problem wie jede Papierwährung, die an Gold gebunden ist: Kommt es zum Bank Run, droht der Zusammenbruch.

Und zu genau so einer Situation dürfte es Anfang des Monats in New York an der Terminbörse Comex gekommen sein. Der US-amerikanische Anwalt und Goldanalyst Avery Goodman hat bei der Durchsicht der Comex-Daten eine Lücke festgestellt und seine Recherchen in zwei langen Artikeln auf der Plattform Seeking Alpha dargelegt. Demzufolge ist es an der Comex Ende Mai zu fragwürdigen Vorgängen gekommen. Denn in den „Warenhäusern“ der Comex waren Ende Mai nur 370.000 Unzen Gold eingelagert, die zur Auslieferung bereitstanden.

Am 1. Juni mussten aber 550.000 Unzen ausgeliefert werden. Eine Lücke von 170.000 Unzen oder 5,3 Tonnen Gold. Goodmans Recherchen zufolge hat aber die Großbank JP Morgan just am 1. Juni diese Lücke geschlossen, indem sie 177.000 Unzen ins „Warenhaus“ transferiert hat.

Ein Gold-Bail-out der Fed?

Goodman fragt sich nun, warum JP Morgan dieses Gold plötzlich zur Verfügung gestellt – und damit einen Zusammenbruch der Comex verhindert hat. Er vermutet gar, dass die Bank nicht auf eigene Faust gehandelt hat, sondern im Auftrag der US-Notenbank Federal Reserve. Eine Vermutung, die Goodman zwar belegen, aber nicht beweisen kann. Sollte sie zutreffen, käme dies einer erneuten staatlichen Rettung der US-Banken gleich – diesmal allerdings mit staatlichem Gold, das man nicht einfach drucken kann.

In jedem Fall ist der Vorfall Grund genug für Papiergold-Investoren, nervös zu werden. Denn selbst alles Gold der USA würde nicht ewig reichen, um die Comex am Laufen zu halten. Und ein Bankrott der Comex würde den weltweiten Goldmarkt (und den Preis für physische Ware) in die Luft sprengen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

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