Bei Parlamentswahlen zeichnet sich hauchdünner Sieg des bürgerlichen Spitzenkandidaten Rasmussen zusammen mit Konservativen und Rechtspopulisten ab. Sie konnten beim Thema Einwanderungsbeschränkung punkten.
Kopenhagen. Am Ende hing es womöglich an den vier Sitzen, die Grönland und die Färöer-Inseln zu vergeben hatten, was eine spannende Wahlnacht versprach. Die Exit-Polls sagten bei den Parlamentswahlen am Donnerstagabend in Dänemark ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem regierenden Mitte-Links-Bündnis der sozialdemokratischen Premierministerin Helle Thorning-Schmidt und ihrem bürgerlichen Herausforderer und Vorgänger Lars Lökke Rasmussen voraus – mit leichtem Vorteil für die Opposition trotz einer grandiosen Aufholjagd der Regierungschefin im nur dreiwöchigen Wahlkampf.
Dänemark könnte zurück nach rechts schwenken, obwohl Rasmussens Venstre-Partei mit 20,2 Prozent sechs Prozent gegenüber der Wahl 2011 eingebüßt haben dürfte. Der „blaue Block“ mit der rechtsliberalen Venstre, zu dem auch die Liberale Allianz (8,2 Prozent), die Konservativen (3,3 Prozent) und die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF, von 12,3 auf 18,5 Prozent) gehören, kommen demnach auf 50,9 Prozent und 88 Mandate. Thorning-Schmidts „roter Block“ erhält auch mit der neu ins Parlament eingezogenen ökologischen Alternative (4,9 Prozent) nur 49,1 Prozent und 87 Mandate. Die Sozialdemokraten konnten sich leicht auf 25,7 Prozent verbessern und sind größte Partei.
Abwanderung der Protestwähler
Thorning-Schmidt, die 2011 trotz einem historisch schlechten Wahlergebnis ihrer Partei und mit weniger Stimmen als Rasmussens Venstre-Partei Ministerpräsidentin wurde, lag in den vier Jahren ihrer Amtszeit ständig im Umfragetief. Um die Wirtschaftskrise zu bewältigen, machte sie eine nahezu konservative Sparpolitik, senkte Unternehmenssteuern und Arbeitslosenbezüge. Viele ihrer Wähler wanderten zu den in die Mitte gerückten Rechtspopulisten ab, die bei den Europawahlen 2014 gar stärkste politische Kraft wurden. Noch im Jänner führte die Opposition mit einem Vorsprung von neun Prozentpunkten.
Die Sozialdemokraten hatten eine für dänische Verhältnisse ungewohnte, aber erfolgreiche Rufmordkampagne gegen Widersacher Rasmussen gestartet. Der hatte sich mit Steuergeldern private Annehmlichkeiten in geringerem Umfang finanziert und hätte deshalb 2013 fast den Vorsitz seiner Partei verloren.
Taktisch geschickt hatte die Ministerpräsidentin dann Ende Mai die Neuwahlen vom spätesten Termin im September vorgezogen. Zeitgleich präsentierte sie dem Land neue, rosige Wirtschaftsdaten. „Dänemark geht es besser als 2011. Wir sind aus der Krise raus“, verkündete sie. Dänemark, das noch 2008 einen Einbruch seines Immobilienmarktes um 20 Prozent erlebte und dessen Privathaushalte wegen der vielen Eigentumswohnungen zu den am höchsten verschuldeten der Welt zählen, geht es in der Tat wieder besser. Für 2015 wird ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent erwartet. Die Arbeitslosigkeit ist auf 4,8 Prozent gefallen. Doch Thorning-Schmidts Gegner machten die Erholung der Weltwirtschaft für das wirtschaftliche Hoch verantwortlich.
Während der Wahlkampf anfänglich von der Wirtschaftslage und der Sicherung des Wohlfahrtsstaates geprägt war, konnten Rasmussens Venstre und die rechtspopulistische DF letztlich die Beschränkung der Einwanderung zu einem zentralen Wahlthema machen. Die DF versprach am glaubhaftesten, die Zahl der Einwanderer zu verringern. Sie ist einer der wahren Sieger der Wahl. Sie konnte das Thema Einwanderung so erfolgreich ins emotionale Zentrum der Wahl setzen, weil die Wahlprogramme von Rasmussen und Thorning-Schmidt sich nicht stark unterschieden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2015)