Auch in den kommenden zwei Jahren stellt eine linke Viererkoalition die Exekutive. FLÖ und VSStÖ teilen sich den Vorsitz. Erstmals steht ein Deutscher an der Spitze.
Wien. Es erinnert irgendwie an die jüngste Regierungsbildung in der Steiermark: Die Hochschülerschaft (ÖH) wird in den kommenden zwei Jahren von derselben linken Viererkoalition regiert wie bisher. Der Chefposten geht allerdings nicht an die stärkste der Koalitionsfraktionen – die grün-alternative Gras –, sondern wechselweise an die unabhängigen Fachschaftslisten und den roten VSStÖ. Und so auch erstmals an einen deutschen Studenten.
Doch von vorn: Fünf Wochen nach der ÖH-Wahl ist nun fix, wer die Exekutive stellen wird. Zusammenarbeiten werden wieder Gras, VSStÖ, FLÖ und die ursprüngliche FH-Fraktion Fest, wie die vier Fraktionen bekannt gaben. Die linke Koalition kommt auf 29 Mandate in dem – nach einer Reform auf 55 Mandate verkleinerten – Studierendenparlament. Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) geht damit wieder einmal leer aus.
Die Verteilung der Ämter wird erst heute, Freitag, offiziell: In der konstituierenden Sitzung der Bundesvertretung wird das Vorsitzteam gewählt. Inoffiziell ist aber bereits klar, wie es aussehen wird. Wie bisher gibt es beim Vorsitz eine Halbzeitlösung: Zunächst soll FLÖ-Spitzenkandidat Philipp Flacke ein Jahr lang an der Spitze stehen, anschließend Lucia Grabetz (VSStÖ).
Mit dem spätberufenen Psychologiestudenten Flacke (35) soll zum ersten Mal ein Deutscher ÖH-Chef werden. Der gebürtige Niedersachse war im Informatikbereich berufstätig, bevor er vor vier Jahren in Klagenfurt zu studieren begann. Dass die FLÖ – die bei der ÖH-Wahl von Platz zwei auf Platz vier abrutschten und auch innerhalb der Koalition nur drittstärkste Kraft sind – jetzt den Vorsitz stellen, zeugt von einigem Verhandlungsgeschick.
Tatsächlich waren die FLÖ die einzige Konstante in den drei Koalitionsvarianten, über die Gespräche geführt wurden: Sie hätten auch mit AG und Junos koalieren können – oder mit AG und VSStÖ. Und: Auch die roten Studierenden hatten also zumindest eine zweite Option. Nur die Gras legte sich gleich zu Beginn auf eine neue linke ÖH-Spitze fest. Wofür sie offenbar einiges an Zugeständnissen machen musste – und nun eben um den Vorsitz umfällt.
„Größte Krise der ÖH“
Die Aktionsgemeinschaft, auf die jetzt weitere zwei Jahre in Opposition warten, hält das für inakzeptabel. Die Hochschülerschaft befinde sich „in ihrer größten Krise seit jeher“. Die beiden Vorsitzfraktionen FLÖ und VSStÖ kämen gemeinsam auf nur 28Prozent der Stimmen. Das sei „keine Studierendenvertretung mehr“. Die Gras habe sich „für ihren Machterhalt verkauft“.
Was die grün-alternativen Studierenden selbst klarerweise anders sehen: Man habe nur für eine Neuauflage der linken Koalition verhandelt und über keine andere Option. „Uns ist weniger wichtig, ob wir den ersten Vorsitz stellen. Für uns waren vor allem die Inhalte entscheidend.“ Zudem sehe man die ÖH-Spitze als gleichberechtigtes Team.
Insgesamt sitzen zehn Fraktionen in der Bundesvertretung. Die meisten Stimmen hat die AG (26,7 Prozent), gefolgt von Gras (20,1), VSStÖ (15), FLÖ (12,7), Junos (11,2) und Fest (4,1). (beba/APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2015)