Jordan Spieth: Titeljagd für die Geschichtsbücher

PGA: U.S. Open-Final Round
PGA: U.S. Open-Final RoundUSA Today Sports
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Mit Siegen beim Masters und den US Open hat Jordan Spieth heuer die ganz große Golf-Bühne erklommen. Bei den 144. British Open spielt der 21-jährige Texaner um seinen dritten Major-Sieg.

Der Vergleich mit Tiger Woods gleicht im Golf einer Adelung. 79 PGA-Siege, 14 Major-Titel, unzählige Rekorde – der US-Superstar war lange Zeit das Maß aller Dinge, und nicht wenige gingen in seinem überdimensionalen Schatten unter. Aus diesem gerade erst richtig herausgetreten ist Jordan Spieth. Nach Siegen beim Masters und den US Open hat der 21-jährige Texaner nun die Chance, Geschichte zu schreiben und als erster Spieler den Grand Slam der Moderne, alle vier Major-Turniere eines Jahres, zu gewinnen. Ein Kunststück, das nicht einmal Woods geschafft hat. Einzig dem US-Amateur Bobby Jones gelang es 1930, damals wurden aber noch das US Open Amateur bzw. British Amateur Championship gewertet. Noch fehlen Spieth dafür zwei Titel, um den ersten spielt er ab Donnerstag bei den 144. British Open.

„Ich nehme mal an, du kannst das Ding nicht gewinnen, wenn du nicht die ersten zwei gewonnen hast“, versuchte Spieth im Vorfeld Fragen nach dem Grand Slam locker zu begegnen. Dass er nach der verletzungsbedingten Absage von Titelverteidiger Rory McIlroy (Bänderriss im Knöchel) in Schottland der große Favorit ist, sieht er gelassen. „Ich bin nach Chambers Bay als aktueller Major-Sieger gekommen und jetzt eben hierher. Ich freue mich einfach und denke nicht darüber nach, was eventuell passieren könnte“, meinte der 21-Jährige, der sich nach dem US-Open-Triumph erst einmal eine Auszeit gönnte und mit Freunden auf die Bahamas flog. Dass der traditionsreiche Old Course in St. Andrews ebenso wie der beim abschließenden PGA Championship jenem in Chambers Bay ähnlich ist, dürfte jedenfalls nicht zu seinem Nachteil sein.


Früh auf Woods' Spuren. Der Vergleich mit Woods ist für Spieth nichts Neues, er begleitet ihn spätestens, seit er sich 2011 zum zweiten Mal zum Nachwuchsmeister bei den US-Amateuren kürte – das hatte vor ihm nur dieser geschafft. Als Studenten feierten beide Erfolge in der College-Liga, Woods gewann im Einzel, Spieth führte die University of Texas zum Titel. Während Woods in den folgenden Jahren als Amateur groß aufspielte, entschied sich Spieth bereits mit 19 Jahren zum Wechsel ins Profi-Lager. Überraschend scheiterte er in der Tour-School, es sollte ein seltener Rückschlag in seiner Karriere bleiben.

Über Einladungen erspielte sich Spieth mit starken Leistungen die temporäre Mitgliedschaft auf der PGA-Tour und überflügelte im Juli 2013 schließlich den Superstar: Beim John Deere Classic behielt er im Stechen die Nerven und avancierte mit 19 Jahren und 11 Monaten zum jüngsten Sieger seit 82 Jahren. Zwei Jahre und drei Titel später findet sich Spieth in der Riege der ganz Großen: Er ist der sechste Spieler der Geschichte, der die beiden ersten Majors eines Jahres gewinnen konnte, der erste seit Woods (2002). Mit dem Triumph in Schottland wäre er erst der dritte Profi nach Ben Hogan (1953) und Woods (2000) mit drei Major-Siegen in einem Jahr. „Das sind Namen von Spielern, die zu den größten aller Zeiten gehören. Dazu zähle ich mich noch nicht“, meinte Spieth. „Aber ich habe den richtigen Start erwischt, um auch ein wenig Geschichte zu schreiben.“

Bescheidenheit und Bodenständigkeit zeichnen Spieth aus. Im Gegensatz zu Woods stand hinter seinem frühen Aufstieg nie der Ehrgeiz seiner Eltern. Diese ermutigten ihn als Kind vielmehr, verschiedene Sportarten auszuprobieren. Zunächst begeisterte er sich für Baseball, erst mit 13 fiel die Entscheidung für Golf. Besonderen Trainingseifer habe er dabei nie an den Tag gelegt, er liebte es einfach zu spielen. „Egal, ob beim Raufen mit meinem Bruder oder beim Spielen mit Freunden, der Wunsch zu gewinnen war in meiner Kindheit immer präsent. Das hat mich geprägt. Deshalb glaube ich immer daran, dass ich es selbst in scheinbar aussichtslosen Situationen noch schaffen kann“, erzählte er.


Inspiration namens Ellie. Der familiäre Rückhalt bedeutet Spieth viel, seine jüngere Schwester Ellie, die mit einer neurologischen Entwicklungsstörung auf die Welt kam, ist für ihn eine große Inspiration. Die heute 15-Jährige erinnere ihn stets daran, „dass so vieles, was selbstverständlich erscheint, nicht selbstverständlich ist“. Ihre Behinderung motivierte ihn auch, den Jordan Spieth Charitable Fund einzurichten, der sich unter anderem für Kinder mit besonderen Bedürfnissen einsetzt. Der 21-Jährige wohnt inzwischen mit Highschool-Freundin Annie zusammen, dem Elternhaus stattet er aber regelmäßig Besuche ab und bringt Ellie stets kleine Geschenke von seinen Turnieraufenthalten mit.

Zwei weitere langjährige Wegbegleiter sind Trainer Cameron McCormick und Caddie Michael Greller. Der gebürtige Australier trainiert den Texaner, seit er zwölf ist. „Ein Erfolgsfaktor ist das große Vertrauen, da wir uns schon lang kennen“, erklärte Spieth. McCormick lässt den Schwung seines Schützlings unangetastet, obgleich etwa der atypische Schlägergriff nichts für Golf-Puristen ist. Greller, gelernter Mathematiklehrer, begleitet Spieth seit dessen Amateurauftritt bei den USOpen 2011. Der große gegenseitige Respekt zeigt sich jedes Mal, wenn Spieth die Entscheidungsabläufe vor einzelnen Schlägen schildert und dabei stets im Plural als „wir“ spricht. Auch die British Open wird das Duo gemeinsam in Angriff nehmen, ebenso wie Tiger Woods. Doch der Schatten hat sich gedreht, inzwischen verkörpert Spieth all das, wofür der heuer schwer kriselnde Woods einst stand: Selbstvertrauen, Nervenstärke, spielerische Eleganz und Leichtigkeit – kurz, den Hoffnungsträger der amerikanischen Golffans.

Steckbrief

1993
wird Jordan Spieth am 27. Juli geboren. Als Kind probiert er verschiedene Sportarten, entscheidet sich mit 13 für Golf.

2009 und 2011
kürt er sich jeweils zum Nachwuchsmeister der US-Amateure – das ist vor ihm nur Tiger Woods gelungen.

2013
gewinnt er sein erstes Turnier auf der PGA-Tour und avanciert mit 19 Jahren und 11 Monaten zum jüngsten Sieger seit 82 Jahren.

2015
feiert er seine ersten Major-Siege und triumphiert bei Masters und US Open.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2015)

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