China-Deal: Wie liberal sind die USA?

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In den USA bahnt sich die bisher größte Übernahme durch einen chinesischen Investor an. Die Regierung dürfte skeptisch sein. Eine Behörde soll prüfen, ob nationale Interessen bedroht sind.

Wien/Washington. Die USA gelten als wirtschaftsliberal. Doch nun werden die Amerikaner auf die Probe gestellt. Denn die chinesische Tsinghua Unigroup will den US-Konzern Micron Technology kaufen. Der Vorstoß der Chinesen ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Denn mit einem kolportierten Preis von 23 Milliarden US-Dollar (20,7 Milliarden Euro) würde es sich um die größte Übernahme eines US-Konzerns durch einen chinesischen Investor handeln. Amerikanischen Medienberichten zufolge soll die US-Regierung einer solchen Transaktion skeptisch gegenüberstehen.

Ob die US-Behörden die Übernahme verhindern werden, ist offen. Eine offizielle Stellungnahme dazu gibt es nicht. Ein Micron-Sprecher erklärte am Dienstag, bislang sei kein Gebot eingelangt. Dem Vernehmen nach strecken die Chinesen zunächst inoffiziell ihre Fühler aus, bevor sie ein rechtlich bindendes Angebot abgeben.

Aktien schießen in die Höhe

An der Börse herrscht bereits Jubelstimmung: Die Aktien von Micron legten am Dienstag vorbörslich rund zwölf Prozent zu.

Derzeit sind es vor allem amerikanische Konzerne, die im Technologie- und Internetbereich den Ton angeben − Konzerne wie Apple, Google, Amazon und Intel. Die Chinesen haben hier Nachholbedarf. Die Firma Micron hat ihren Sitz in Idaho und gehört in den USA zu den letzten großen Produzenten sogenannter DRAM-Chips, die sich in Computern befinden. Weiters stellt die Firma NAND-Chips für Smartphones her.

Kommt es tatsächlich zu einem Angebot der Chinesen, schaltet sich das US-Komitee für Auslandsinvestitionen, das Comitee on Foreign Investment, ein. Diese Behörde nimmt Transaktionen unter die Lupe, wenn die nationalen Interessen der USA bedroht sind. Per Gesetz gelten bestimmte Branchen als schützenswert, zum Beispiel die Luftfahrt oder das Finanzwesen.

Verschärft wurden die Rahmenbedingungen in den 1970er-Jahren, als sich viele japanische Investoren für amerikanische Firmen interessierten. Heute sind es Chinesen und Araber, deren Zukäufe genau geprüft werden. Zu einem Aufschrei in der US-Bevölkerung kam es einst, als die Firma Dubai Ports World sechs US-Häfen kaufen wollte. Später wollte eine chinesische Firma in den USA einen Windpark errichten. Doch US-Präsident Barack Obama legte sich quer, weil die Anlage zu nahe an einer Militärbasis geplant war.

Chinesen im Kaufrausch

Genehmigt wurde dagegen die Übernahme der Serversparte von IBM durch das chinesische Unternehmen Lenovo. Zwar gab es auch hier Bedenken, denn das US-Verteidigungsministerium hatte solche Server im Einsatz. Es wurde befürchtet, dass chinesische Spione leichter in das Netzwerk des Ministeriums eindringen könnten. Doch den Chinesen gelang es, die Amerikaner davon zu überzeugen, dass solche Sorgen unbegründet sind. Grünes Licht erhielt Lenovo in den USA auch bei der Übernahme des Handyherstellers Motorola. Die Chinesen zahlten dem früheren Besitzer Google dafür im Vorjahr knapp drei Milliarden US-Dollar (2,7 Milliarden Euro).

Die Tsinghua Unigroup, die den Chiphersteller Micron kaufen will, ist eine Beteiligungsgesellschaft, die im Einflussbereich der renommierten Tsinghua-Universität in Peking steht. Sie wird von den kommunistischen Machthabern unterstützt.

Internationalen Rankings zufolge ist Tsinghua eine der besten Universitäten in China. Sie gilt auch als Kaderschmiede für kommunistische Parteifunktionäre. Erst vor Kurzem verkaufte der US-Computerkonzern HP die Mehrheit an mehreren Geschäftsbereichen an die Tsinghua Holdings, die der Universität gehört.

Auf einen Blick

Rund 23 Milliarden US-Dollar will die chinesische Tsinghua Unigroup für den US-Konzern Micron Technology zahlen. An der Börse legten die Aktien von Micron zu. Ziel der Führung in Peking ist es, die bislang schwache Position Chinas in der Technologiebranche auszubauen. Ob die US-Behörden der Transaktion zustimmen, ist offen. Geprüft werden muss, ob nationale Interessen der USA gefährdet sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2015)

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