Festspiele: In Salzburg prägt der Raum den Klang

(c) APA (Herbert P. Oczeret)
  • Drucken

Das RSO Wien unter seinem Chef, Cornelius Meister, spielte bei den Salzburger Festspielen Boulez und Mahler.

Die heurigen Salzburger Festspiele sind veritable Felsenreitschulenfestspiele: In gleich zwei Werken, die dort aufgeführt wurden bzw. werden, spielt der Klangraum eine entscheidende Rolle, indem das Orchester über den Saal verteilt wird – und die Felsenreitschule entpuppt sich in beiden Fällen als maßgeschneidert für gewagte musikarchitektonische Konzeptionen dieser Art. Zum einen ist da Wolfgang Rihms Oper „Die Eroberung von Mexico“ mit ihrer expressiven Überwältigung („Die Presse“, 28. 7.)

Von der Grunddisposition ähnlich (das Orchester nicht als Monolith, sondern von mehreren Position aus in Gruppen (inter-)agierend, doch von Idee und Charakter her komplett verschieden war am Donnerstag Pierre Boulez' „Rituel in memoriam Bruno Maderna“ (1974/75), quasi ein tönender Nachruf auf den 1973 verstorbenen musikalischen Begleiter. Auch hier spielte, wie schon bei Rihm, das in bestechender Form agierende RSO Wien, diesmal unter seinem Chef, Cornelius Meister, der wie die Spinne im Netz seine Musikerhäuflein von der Mitte des Saales aus koordinierte. Faszinierend, wie sich das Stück aufbaut, wie der Klang den Raum durch das Hinzutreten immer weiterer Gruppen in Besitz nimmt (eine Entwicklung, die sich später umkehren wird – was als Verlöschen der Kräfte interpretiert werden kann, aber nicht muss).

Verwandlung der Motive

Faszinierend auch die sich vielfach ergebende Raumpolyphonie: Freilich gibt es immer wieder dialogartige Passagen, wenn eine Gruppe das Motiv einer anderen aufgreift und verwandelt wieder abgibt, aber wirklich spannend wird es immer dann, wenn die Gruppen, wie vom Komponisten vorgesehen, teilautonom parallel agieren.
Mit diesem Stück von Boulez (der heuer 90 wird) waren die Ohren entsprechend geölt, um die folgende Erste Symphonie Mahlers auf neue Weise aufzunehmen. Tatsächlich schien auch hier – obwohl das Orchester längst wieder die traditionelle Sitzordnung eingenommen hatte – das Räumliche prononciert hervorzutreten. Meister disponiert in Sachen Dynamik äußerst klug, hält das Pulver so lang trocken wie irgend möglich, um es dann umso wirkungsvoller zur Explosion zu bringen. Er wagt auch viel in Sachen Tempo, nimmt sich oft viel Zeit – manchmal zu viel. Nicht immer gelingt es ihm so wie im Kopfsatz, die Spannung durchgehend zu halten, und so ist besonders der heikle dritte Satz von einer Verselbstständigung der Einzelteile bedroht. Bezwingend hingegen das dramaturgisch perfekt inszenierte Finale, in dem die fulminante Blechbläserriege des Orchesters so richtig strahlen konnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.