Porträt: Reinhold Lopatka, Mitterlehners Machiavelli

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Ob bei der Auflösung des Team Stronach oder der steirischen Regierungsbildung: Lopatka hat fast überall seine Finger im Spiel. Er macht mit freundlicher Miene Machtpolitik - für seinen fünften ÖVP-Chef.

Ja sicher sei er noch bei Sinnen, sagt Reinhold Lopatka. Er sei am Freitag von einem „Standard“-Redakteur gefragt worden, ob Kathrin Nachbaur schon bei der ÖVP sei, da habe er wahrheitsgemäß geantwortet: „Das kann ich ausschließen. Ich weiß, wer bei uns ist. Ich bin doch noch bei Sinnen.“

Nachbaur habe sich erst am Samstag bei ihm gemeldet und ihm mitgeteilt, dass sie soeben ein Gespräch mit Frank Stronach gehabt und sich dazu entschlossen habe, dessen Partei zu verlassen. Er selbst habe Nachbaur im Juni, nach dem Wechsel der Stronach-Abgeordneten Marcus Franz und Georg Vetter zur ÖVP, zu verstehen gegeben, dass die Tür auch für sie offen sei. Und dies gelte weiterhin auch für Team-Stronach-Abgeordnete wie Jessi Lintl („Alles Freiberufler, von denen wir zu wenig haben“), für andere wie Leo Steinbichler und Robert Lugar jedoch nicht.

Die Wahrheit ist, wie wir seit Schwarz-Blau wissen, bisweilen auch eine Tochter der Zeit. Und Politik eben auch die Kunst, den richtigen Schein zu erzeugen, wie Niccolò Machiavelli einst gemeint hatte. Situationselastisch wie er ist, dürfte Reinhold Lopatka dies verinnerlicht haben. Öffentlich stellte er etwa auch in Abrede, bei der Regierungsbildung in der Steiermark eine tragende Rolle gespielt zu haben, indem er die Fäden für Schwarz-Blau zu ziehen versuchte. Getan hat es Lopatka sehr wohl. Ob beabsichtigt oder nicht – letztlich hatte die ÖVP eine schwarz-blaue Drohkulisse aufgebaut, und die SPÖ überließ ihr den Landeshauptmann in Graz.

Im Gegensatz zu Machiavelli hat Reinhold Lopatka bisher noch keine einschneidenderen Karriereeinbrüche hinnehmen müssen. Von Wolfgang Schüssel als Wahlkampfmanager für die Nationalratswahl 2002 geholt, diente er diesem fortan als Generalsekretär. Einflussreicher war danach kein ÖVP-Generalsekretär mehr. Unter Wilhelm Molterer war er dann Sportstaatssekretär, unter Josef Pröll Finanzstaatssekretär. Unter Michael Spindelegger wurde er zwar vorerst zum einfachen Nationalratsabgeordneten zurückgestuft, alsbald war er jedoch wieder Staatssekretär– nun im Außenamt.

Es scheint, als sei Reinhold Lopatka für den jeweiligen ÖVP-Chef unverzichtbar. Er selbst hat eine einfache Erklärung dafür: „Ich arbeite einfach mehr als der Durchschnitt und komme auch mit weniger Urlaub aus.“ Allein am Fleiß wird es allerdings nicht liegen. Lopatka ist vielmehr einer, der sich für nichts zu schade ist, der die Grenzen des Negative Campaigning großzügig auslegt. Und dabei auch kein schlechtes Gewissen hat. Weil es – wie er aus eigener Beobachtung weiß – anderswo nicht anders ist.

Strategien aus den USA

Und das ist wahrscheinlich Lopatkas größter Wert für seine Partei: Er ist ein vorausschauender Stratege. Er fährt immer wieder in die USA und sieht sich dort die Kampagnen der Demokraten und Republikaner an. Zuletzt war er bei den Midterm-Elections 2014 dort. Nachdem er 2004 den Wahlkampf des demokratischen Präsidentschaftskandidaten, John Kerry, begleitet hatte, schrieb er, wieder zu Hause angekommen, in einem Aufsatz, dass es da in den USA einen aufstrebenden jungen Politiker namens Barack Obama gebe, der das Zeug zum ersten schwarzen Präsidenten habe.

In der in die Mitte gerückten Mitterlehner-ÖVP fällt Reinhold Lopatka nun die Aufgabe zu, den rechten Flügel abzudecken. Darauf zielen auch die Neuerwerbungen aus dem Team Stronach ab. „Die ÖVP wird nur erfolgreich sein, wenn sie annähernd gleich starke Flügel hat“, sagt der 55-Jährige Steirer. „Rechts von der ÖVP dürfen wir nicht alles der FPÖ überlassen. Konservative müssen bei uns ihre Heimat haben.“ Er selbst sieht sich übrigens weder als rechts noch als konservativ. „Ich sehe mich als Christdemokraten.“

In jungen Jahren war Lopatka am linken Flügel der ÖVP gestanden. In der Grazer Katholischen Hochschulgemeinde und als Sprecher der Friedensbewegung, in der unter anderem auch der damalige Juso-Chef Alfred Gusenbauer engagiert war. So wird Lopatka auch nachgesagt, dass die Anekdote von Gusenbauers Moskauer Bodenkuss über ihn den Weg an die Öffentlichkeit fand. Just im Wahlkampf 2002, Lopatkas kampagnentechnischem Meisterstück, war dies nämlich auf einmal Thema.

Für viele Sozialdemokraten ist Reinhold Lopatka seit der Ära Schüssel ein rotes Tuch. Von Lopatkas „Giftküche“ sprach Michael Häupl einmal. Doch als echter finsterer Bösewicht eignet er sich nicht wirklich, dazu ist sein Gemüt zu sonnig. Wenn, dann macht der drahtige Hartberger Machtpolitik mit freundlichem Antlitz.

Kein Wechsel zu Schwarz-Blau

An der Koalition mit der SPÖ will Lopatka jedenfalls nicht rütteln: „Pacta sunt servanda.“ Einen fliegenden Wechsel zu Schwarz-Blau schließt er, neben Andreas Khol der letzte namhafte, noch aktive Vertreter aus der schwarz-blauen Schüssel-Ära, aus.

Allerdings: Vor Kurzem hatte er auch noch einen Wechsel von Kathrin Nachbaur zur ÖVP ausgeschlossen. Sollte es also – wider Erwarten – in näherer Zukunft doch zu Schwarz-Blau kommen: Reinhold Lopatka wird dafür sicher eine plausible Erklärung parat haben, warum das bis dahin noch undenkbar gewesen, nun aber das Gebot der Stunde sei.

Wenn man Politik nicht als moralische Besserungsanstalt, sondern als Instrument zur Durchsetzung von Interessen versteht, dann ist Reinhold Lopatka ein großer Realpolitiker. Jedenfalls erfolgreicher als die Kollegen von der SPÖ. Von den Wiener Genossen – Causa Akkılıç! – vielleicht einmal abgesehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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