Das Recht auf Nachwuchs

Porträt. Dem Juristen Philip Czech war eine Dissertation nicht genug. Er schrieb nun seine zweite Doktorarbeit über die Freiheit des Einzelnen, sich fortzupflanzen – oder eben nicht.

Der junge Jurist hatte eigentlich schon seinen Doktortitel, doch es drängten sich immer neue Fragen auf, denen Philip Czech in einer weiteren Dissertation nachgehen wollte. Im Grundstudium hatte der Pongauer an der Uni Salzburg Rechtswissenschaften und Geschichte belegt. Seine erste Dissertation verfasste er 2009 über Majestätsbeleidigungen unter Kaiser Franz Joseph I. im Fachbereich Geschichte. Dazu analysierte er über 100 Strafrechtsakten des Salzburger Landesgerichts, Kriminalstatistiken und Zeitungsarchive. Nach diesem Studium der Rechtsprechung der Vergangenheit konzentrierte sich Czech dann wieder auf die Rechtsprechung der Gegenwart – und arbeitete als Assistent am Österreichischen Institut für Menschenrechte der Uni Salzburg am Mönchsberg in Salzburg.

„In den Jahren 2010 bis 2013 gab es eine Reihe von Entscheidungen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und am österreichischen Verfassungsgerichtshof, die das Thema Fortpflanzungsfreiheit betrafen“, sagt Czech. Als Vater von zwei Töchtern interessierte ihn das Thema nicht nur von der persönlichen Seite, sondern noch mehr von der rechtlichen.

Gerichte klären, ob Embryo Rechte hat

„Bei diesen Entscheidungen tauchen immer wieder übergeordnete Fragen auf, die rechtspolitisch und rechtsphilosophisch spannend sind“, erzählt Czech. Darf der Gesetzgeber in das individuelle Grundrecht, autonom über die eigene Fortpflanzung zu entscheiden, mit der Begründung eingreifen, dass ein Verhalten moralisch verwerflich oder gesellschaftlich unerwünscht sei? Dazu untersuchte Czech Urteile über medizinisch unterstütze Fortpflanzung, über Adoption und Schwangerschaftsabbruch.

Diese Themen hängen zusammen: Bei Adoption und In-vitro-Fertilisation geht es etwa darum, ob man Homosexuelle vom Recht auf Fortpflanzung ausschließen kann. Bei Schwangerschaftsabbruch und medizinisch unterstützter Fortpflanzung müssen Gerichte klären, ob ein Embryo Rechte hat. Kann der Schutz des ungeborenen Lebens gegen die Grundrechte der Eltern, die sich dieses Kind wünschen oder eben nicht wünschen, aufgewogen werden?

„In der Regel wird in der Rechtsprechung ein Recht auf Leben des Embryos verneint und das Grundrecht der Eltern in den Vordergrund gestellt“, sagt Czech. Dennoch wird ein moralisches Interesse anerkannt, ungeborenes Leben zu schützen. Sei es im Bauch einer Frau oder im Labor der Fortpflanzungsmedizin.

Die rechtlichen Antworten auf solche Fragen suchte Czech für seine zweite Dissertation – bei Rudolf Feik an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Salzburg – in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Seine Ergebnisse veröffentlichte er nun im Jan-Sramek-Verlag mit dem Titel „Fortpflanzungsfreiheit“. Das über 400 Seite starke Buch gilt als erste umfassende Darstellung der grundrechtlichen Aspekte der menschlichen Reproduktion in Österreich.

„Während der Arbeit an der Dissertation wurde in Österreich auch die Gesetzeslage geändert: Mit der Novelle zum Fortpflanzungsmedizingesetz, die Anfang 2015 in Kraft trat, werden nun auch hierzulande die Grundrechte jener besser geschützt, die zur Erfüllung des Kinderwunsches auf medizinische Unterstützung angewiesen sind“, sagt Czech. Dasselbe gilt für die Öffnung der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare.

Diese Reformen tragen nicht zuletzt einer Reihe von Entscheidungen Rechnung, wonach homosexuellen Menschen das Recht auf Fortpflanzung und Adoption nicht verwehrt werden darf. „Diese Entscheidungen beruhen auf Studien der Sozialwissenschaften, die keine gravierenden Nachteile für Kinder sehen, die zwei Frauen oder zwei Männer als Eltern haben.“

ZUR PERSON

Philip Czech wurde 1976 in Salzburg geboren. Er studierte an der Uni Salzburg Rechtswissenschaft und Geschichte und arbeitet seit 2002 am Österreichischen Institut für Menschenrechte der Uni Salzburg. Seine erste Dissertation behandelte Majestätsbeleidigungen zu Kaisers Zeiten, sie wurde 2010 im Böhlau Verlag veröffentlicht. Nun erschien seine zweite Dissertation bei Jan Sramek: „Fortpflanzungsfreiheit“ beantwortet ethisch umstrittene Fragen auf Basis der Europäischen Menschenrechtskonvention.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2015)

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