Paris erlaubt Busse als Bahnrivalen

FRANCE CALAIS FERRY STRIKE
FRANCE CALAIS FERRY STRIKEAPA/EPA/IAN LANGSDON
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Von Lille nach Straßburg um fünf Euro. Frankreich öffnet den Markt für den Regionalverkehr. Die Staatsbahn erwartet neue Konkurrenz, die Kunden sinkende Preise.

Paris. Frankreich läutet eine sanfte Liberalisierung des bisher streng reglementierten Regionalverkehrs ein. Wo bisher die staatliche Bahn der SNCF weitgehend ein Monopol hatte, sollen nun Transportunternehmen aus dem In- und Ausland mit ihren Fernbussen ihre günstigeren Angebote machen dürfen. Um die öffentlichen Verkehrsunternehmen in den Städten vor dieser neuen Konkurrenz zu schützen, gilt die Liberalisierung nur für Verbindungen von mehr als 100 Kilometern. Dennoch ist es für Frankreich ein symbolisch bedeutsamer Schritt weg von einer staatlich reglementierten Wirtschaft, auch wenn sich wegen der erhofften Gründung von mittelfristig rund 200 Verbindungen mit Bussen nicht das Wirtschafts- und Beschäftigungswunder einstellt, das sich die Regierung von dieser Liberalisierung erhofft.

An der Dumping-Grenze

Noch bevor das Gesetz am 10. August offiziell in Kraft treten wird, sind die zukünftigen Konkurrenten bereits an den Start gegangen. Auch sie erwarten, dass die Liberalisierung ähnlich wie in Deutschland, wo jetzt jährlich rund acht Millionen Passagiere mit dem Bus reisen, einen attraktiven neuen Markt eröffnet. Bereits unterbreiten mehrere europäische Transportunternehmen wie Isilines (Eurolines), Flix-Bus, Megabus oder Starshipper den Reisenden günstige Ticketangebote. Dies lässt vermuten, dass es in diesem frei gegebenen Markt schon sehr schnell zu einem Preiskrieg kommen könnte.

Isilines wirbt laut der „Voix du Nord“ zum Start mit einem Sonderangebot Lille-Straßburg hin und zurück (inklusive WLAN-Zugang unterwegs) für fünf Euro. Auch ohne solche Discount-Offerte, die hart an der Dumping-Grenze liegen dürften, werden die Fernbusse deutlich billiger sein als die Bahn, die zahlreiche unrentable Verbindungen in der Provinz nur noch dank Subventionen durch die Regionen aufrechterhalten kann. Diese öffentlichen Zuwendungen betragen laut „Figaro“ sechs Milliarden Euro pro Jahr. Das vermittelt einen Eindruck der Sparmöglichkeiten, die sich dank der Konkurrenz ergäben.

Bahn fährt selbst mit dem Bus

Wirtschaftsminister Emmanuel Macron rechnet damit, dass bis Ende 2015 bereits auf 50 Linien die Fernbusse unterwegs sein werden und vor allem Passagiere transportieren, die sonst nicht reisen könnten oder das Auto benutzt hätten. Schon bald aber sollen es fünf Millionen Reisende sein. Auf das Argument, dass die Busse weniger umweltfreundlich seien, meint Macron: „Ein Auto mit zehn oder 20 Leuten an Bord verursacht weniger Luftverschmutzung als zehn oder 20 Autos, und auch im Vergleich zu halb leeren Zügen ist die Bilanz positiv.“

Offen ist, wie die SNCF auf die neue Konkurrenz reagieren wird. Sie hat nicht nur auf ihren TGV-Bahnlinien mit „Ouigo“ Billigangebote lanciert, sondern auch ein Fernbus-Service für internationale Strecken. Hier steht die SNCF vor einem Dilemma: Sie will die eigenen Bahnverbindungen nicht preislich unterbieten, muss aber in einem Wettbewerb mithalten, in dem die privaten Konkurrenten nicht vor einem Preiskrieg zurückschrecken.

Webtipp:

>>> GoEuro: Fahrpläne und Infos zu Fernbussen in Frankreich

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2015)

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