IS tötet 82-jährigen Chef-Archäologen von Palmyra

Die historische Stadt Palmyra war lange Zeit ein beliebtes Touristenziel.
Die historische Stadt Palmyra war lange Zeit ein beliebtes Touristenziel.(c) REUTERS
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Die Jihadisten wollten aus dem anerkannte Wissenschaftler das Versteck angeblicher antiker Goldschätze herauspressen.

Sein bestialischer Tod hat weltweit Entsetzen ausgelöst. 50 Jahre lang galt Khaled Asaad als Pionier der Palmyra-Forschung. 1966 schrieb er das erste populäre Buch mit dem Titel „Willkommen in Palmyra“ über das römische Antikenwunder im Osten Syriens, das seither Millionen von Touristen anlockte und 1980 zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde. Am Dienstag köpften die Schlächter des Islamischen Staates den 82-jährigen pensionierten Archäologenchef auf dem Museumsvorplatz und fesselten die Leiche anschließend an einen Ampelmast, den abgeschlagenen Kopf mitsamt der Brille legten sie dem Torso zu Füßen.

Khaled Asaad, der 2003 in den Ruhestand ging und bereits 1952 als junger Mann die Freilegung des Amphitheaters und des berühmten Baal-Tempels miterlebte, hatte sich geweigert, nach dem Einmarsch der Terrormiliz im Mai seine Heimatstadt zu verlassen und sich in Damaskus in Sicherheit zu bringen. „Ich bin aus Palmyra, und ich bleibe, selbst wenn sie mich töten“, soll er immer wieder gesagt haben. Stattdessen halfen er und seine beiden Söhne, Walid und Mohammed, über 400 der unersetzlichen, antiken Skulpturen auf Lastwagen zu verladen und so vor der Zerstörung durch den IS zu bewahren. Befreundete Forscher nannten ihn wegen seines enormen Wissens „eine Enzyklopädie der antiken syrischen Geschichte“.

"Auf dem Areal gibt es kein Gold zu finden"

Vor drei Monaten nahm ein IS-Kommando Khaled Asaad, der sein Leben lang mit Ausgräbern aus Deutschland, der Schweiz, Polen, den USA und Frankreich zusammengearbeitet hat, in seinem Privathaus fest. Nach Aussagen seiner Familie wurde der alte Mann in der Haft schwer misshandelt, da die Extremisten aus ihm das Versteck für angebliche antike Goldschätze herauspressen wollten. „Ich bestreite aus ganzem Herzen, auf dem Areal gibt es kein Gold zu finden“, soll er seinen Peinigern immer wieder gesagt haben. Sie schleppten ihn schließlich vor ihren sogenannten Scharia-Gerichtshof, der Asaad „als Gotteslästerer“, „Direktor von Palmyras Götzenbildern“ und „Teilnehmer an Konferenzen mit Ungläubigen“ zum Tode verurteilte.

Palmyra gehört zu den bekanntesten Attraktionen Syriens. Bis heute lässt sein Säulenpanorama den einstigen Glanz und Reichtum der Oasenmetropole erahnen. Anders als bei den assyrischen Königsstädten Nimrud, Hatra und Niniveh auf irakischem Boden nahe Mosul, machte der Islamische Staat die Kolonnaden-Straßen und reich verzierten unterirdischen Nekropolen bisher nicht dem Erdboden gleich. Nur einmal nutzten die Extremisten die Ruinen als Kulisse für eine Massenhinrichtung, bei der von IS fanatisierte Jugendliche 25 vor ihnen kniende Assad-Soldaten mit Pistolenschüssen in die Köpfe exekutierten.

(Martin Gehlen/Ag.)

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