Von Urlaub bis Pension: Stillstand auch in der Schattenregierung

Erich Foglar (li.) und Christoph Leitl (r.)
Erich Foglar (li.) und Christoph Leitl (r.)APA/ROBERT JAEGER
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Ob flexiblere Arbeitszeiten, das neue Bonus-Malus-System oder die Rot-Weiß-Rot-Karte: Die Fronten zwischen Wirtschaft und Gewerkschaft sind zementiert.

Wien. Persönlich greifen einander die beiden Spitzenvertreter der Sozialpartner, Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) und Gewerkschaftspräsident Erich Foglar (SPÖ), zwar nicht an. Aber während die Steuerreform von der Bundesregierung letztlich durchgeboxt wurde, herrscht bei einer Reihe weiterer Fragen Stillstand, bei denen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter ein kräftiges Wort mitzureden haben: bei flexibleren Arbeitszeiten, beim Urlaubsanspruch, beim Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer und auch bei den Vorschriften für die Zuwanderung nach Österreich. Ohne Sanktus der Sozialpartner hat es die Bundesregierung allerdings nicht gewagt, selbst mit Reformen und Neuerungen ernst zu machen.


• Flexible Arbeitszeiten: Vizekanzler und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner hat als Wirtschaftsminister Interesse daran, dass die gesetzlichen Regelungen der Arbeitszeiten flexibler gestaltet werden, um Bedürfnissen der Wirtschaft entgegenzukommen. Seit ein konkreter Gesetzesplan im Frühjahr 2014 publik geworden ist, herrscht in der Frage zwischen Wirtschaft und Gewerkschaft eine gegenseitige Blockade.

Mitterlehner hat nun vor wenigen Wochen angekündigt, wieder Schwung in die Sache bringen zu wollen. Ob das gelingt, bleibt fraglich. Beide Sozialpartnerseiten haben viel Fertigbeton angerührt.

• Sechste Urlaubswoche für alle: Dieses Baumaterial ist auf Gewerkschaftsseite längst verfestigt. Denn in die bisher für die Wirtschaft und Industrie unüberwindbare Mauer bei flexibleren Arbeitszeiten wurde vom ÖGB die Forderung nach Einführung einer sechsten Urlaubswoche für alle Arbeitnehmer nach 25 Jahren eingezogen. Bisher ist das im Regelfall nur nach 25 Jahren beim selben Dienstgeber möglich.

ÖGB-Chef Foglar ist ungehalten darüber, dass es seit Längerem keinen Zentimeter Bewegung beim Wunsch nach der sechsten Urlaubswoche gibt. Umgekehrt schütteln von Kammerpräsident Leitl angefangen Wirtschaftsvertreter über die Halsstarrigkeit der Gewerkschafter bei flexibleren Arbeitszeiten und der Erlaubnis, bei Bedarf bis zu zwölf Stunden am Tag zu arbeiten, den Kopf.

• Bonus-Malus-System: Ganz ähnlich ist die Situation bei dem im Koalitionsprogramm festgeschriebenen Plan für ein Bonus-Malus-System für ältere Beschäftigte über 50Jahre. Bei dieser Frage beißen SPÖ, Gewerkschaften und rote wie schwarze Pensionistenvertreter mit dem Vorschlag eines Malus für Betriebe, die Personen über 50Jahre hinauswerfen, auf Granit. Bewegung: null. Die Wirtschaft lehnt ein Modell, das Firmen, die eine bestimmte Quote an Älteren nicht erfüllen, sanktioniert, und das ab 2017 vorgesehen wäre, ab. Über andere Modelle zeigt man sich gesprächsbereit.

• Rot-Weiß-Rot-Karte: Dieses Modell, mit dem die Zuwanderung von Arbeitskräften reguliert wird, wurde vor knapp fünf Jahren bei der traditionellen Herbsttagung aller Sozialpartner im oberösterreichischen Bad Ischl stellvertretend für die Regierung aus der Taufe gehoben und Mitte 2011 eingeführt.

Wünsche von Industrie und Wirtschaft, Retuschen vorzunehmen, damit Fach- und Spitzenkräfte leichter nach Österreich zuwandern können, liegen seit einiger Zeit auf der langen Bank. Als „Die Presse“ heuer im Frühjahr mit Unternehmen sprechen wollte, die hinter vorgehaltener Hand von Problemen sprachen, wurde davon mit dem Hinweis Abstand genommen, man befürchte in der Praxis Nachteile.

Bei den Sportlern geht es dann rasch

Während Firmen auf Verbesserungen drängen, geht es, wenn es um die Beschäftigung von Sportlern mittels der Rot-Weiß-Rot-Karte geht, schnell. Ein Beispiel: Dem selbst heimischen Fußballinteressierten praktisch unbekannten Ukrainer Igor Oshchypko wurde heuer im Februar binnen weniger Tage eine Karte als Zuwanderer ausgestellt. Sturm-Manager Gerhard Goldbrich frohlockte, weil der knapp vor Ende der Wintertransferzeit geholte Linksverteidiger damit zum Start der Frühjahrssaison Mitte Februar einsetzbar war. Nur wenige Monate später ist der Legionär bei Sturm mittlerweile aber wieder aussortiert. Dabei beklagt die Wirtschaftskammer schon länger, dass es ungewöhnlich viele Rot-Weiß-Rot-Karten für Sportler gäbe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)

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