Der erst 19-jährige Ghirmay Ghebreslassie gewann den Marathon und bescherte seinem Heimatland die erste Goldmedaille bei Weltmeisterschaften.
Einen Überraschungssieger brachte die erste Medaillenentscheidung bei der Leichtathletik-WM in Peking. Der erst 19-jährige Ghirmay Ghebreslassie gewann bei praller Hitze und Sonnenschein den Marathon und bescherte seinem Heimatland Eritrea den ersten Goldmedaillengewinn bei Welttitelkämpfen überhaupt. Der Österreicher Edwin Kemboi wurde 32.
Ghebreslassie hatte sich in 2:12:28 Stunden vor dem Äthiopier Yemane Tsegay (2:13:08) und Munyo Solomon Mutai aus Uganda (2:13:30) durchgesetzt. Olympia-Sieger und Titelverteidiger, Stephen Kiprotich, aus Uganda ging als Sechster leer aus, ebenso wie die Kenianer, die ein Debakel erlebten. Weltrekordler Dennis Kimetto und sein Vorgänger Wilson Kipsang stiegen nach 30 Kilometern aus. Bester Kenianer wurde Mark Korir als 22.
Bei seinem erst vierten Marathonstart (zwei beendet) fehlte es dem unter niederländischen Fittichen stehenden Ghebreslassie noch an Erfahrung, so lief er länger als verlangt und wurde im Olympia-Stadion erst von den Siebenkämpferinnen bei der Hochsprunganlage gestoppt. „Ich war mir nicht sicher, wann es aus ist. Ich habe noch nie einen Marathon in einem Stadion beendet“, sagte der jüngste Weltmeister über 42,195 km. Üblicherweise dürfen die Marathonläufer nach den Kilometern auf der Straße aber auch noch eine volle Runde im Stadion-Oval drehen, ehe sie die Ziellinie sehen. „Wenn man hart arbeitet, ist alles möglich“, sagte Ghebreslassie, dessen Eltern sein Potenzial eher in der Universität als im Laufen gesehen hatten. „Sie haben mich anfangs nicht unterstützt. Das wird für sie jetzt die größte Überraschung sein. Vor zwei Wochen haben sie mir gesagt, dass ich Gold gewinnen soll.“
Österreich war in der ersten von 47 WM-Entscheidungen durch den im Vorjahr eingebürgerten Kemboi vertreten. „Es war sehr heiß, die Luftfeuchtigkeit war sehr hoch. Es war wichtig, viel zu trinken, obwohl das Wasser und die Eigenverpflegung in der Sonne standen und ganz heiß waren. Bei Kilometer zehn habe ich meine Zeit gesehen und für mich entschieden, dass ich mein eigenes Tempo gehen muss, wenn ich ins Ziel kommen will.“ Anfangs war das Tempo sehr moderat, Kemboi lief sogar einmal in der Spitzenposition. Er kam in 2:28:06 durch, viele nicht. Insgesamt 42 Läufer erreichten das Ziel, 25 gaben auf. Auch der gebürtige Kenianer absolvierte im Finish zusätzliche Meter. „Wenn man so lang gelaufen ist, muss man einem sagen, wann man aufhören muss“, meinte er.
Der Marathon fand unter blauem Himmel statt, eine Seltenheit in der smogverseuchten Metropole. Auch wegen der Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkrieges haben die Behörden verfügt, dass der Autoverkehr halbiert und die Kohlekraftwerke ihren Betrieb einstellen mussten. Über 10.000 Meter siegte der Brite Mo Farah in 27:01,13 Minuten, das Kugelstoßen der Damen gewann die Deutsche Christina Schwanitz (20,37 Meter).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2015)