Wohnbau: Das Geschäft der Genossenschaften

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Gemeinnützige Bauträger müssen kostendeckend arbeiten. Durch Auslaufannuitäten, die Mieter bezahlen müssen, lukrieren sie aber Millionen. Eine Gesetzesänderung wird gefordert.

Wien. Fast jeder vierte Bürger Österreichs wohnt in einer Wohnung, die von einem gemeinnützigen Bauträger errichtet wurde. Davon gibt es rund 900.000. Die Miete in solchen Wohnungen ist vor allem deswegen günstig, weil gemeinnützige Bauträger dem Prinzip der „Kostendeckung“ verpflichtet sind – also keine Gewinne erzielen dürfen.

Dass sie das trotzdem meist zum Nachteil der Mieter – und vor allem steuerbegünstigt – tun, ist immer wieder Kritik des Rechnungshofs und führt aktuell erneut zu heftigen Diskussionen auf Bundesebene. Derzeit wird das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz reformiert, die Verhandlungen sollen im Herbst abgeschlossen werden – gestritten wird derzeit vor allem um einen Punkt: die sogenannten Auslaufannuitäten. Normalerweise wird jeder Wohnbau mit Krediten finanziert – diese zahlen Bewohner mit den monatlichen Wohnungskosten zurück, sie laufen unter dem Punkt Annuitäten als Teil der Miete. Ist ein Bau dann ausfinanziert, also der Kredit getilgt, werden weiterhin Raten weiterverrechnet, die unter dem Punkt Auslaufannuitäten ausgewiesen werden. In Wien gibt es rund 21.000 ausfinanzierte Genossenschaftswohnungen. Experten haben errechnet, dass sich jährlich rund 55 Millionen Euro aus Auslaufannuitäten ansammeln.

SPÖ verteidigt Zahlungen

Die FPÖ fordert nun die Abschaffung dieser Regelung: „Die Bewohner müssen unter dem Terminus Auslaufannuität für längst abbezahlte Kredite aufkommen. Das steht im direkten Gegensatz zu sozialer Wohnungspolitik“, sagt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in einer Aussendung vom Mittwoch.

Die SPÖ sieht keinen Grund, das Gesetz zu ändern: „Dieses Geld wird für die Sanierung von Wohnungen verwendet sowie für den Neubau – das Geld ist zweckgebunden. Das ist eine gute Sache, wie sollten wir das sonst finanzieren?“, heißt es aus dem Büro der SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher auf „Presse“-Anfrage.

Diese Argumentation hat einige Haken: Erstens bezahlen Bewohner als Teil der Miete einen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag, der mit dem Alter der Immobilie steigt. Warum dazu für diesen Zweck auch Auslaufannuitäten extra verrechnet werden, konnte man im Büro von Ruth Becher nicht erklären.

Zweitens ist eine Genossenschaft zwar gesetzlich dazu verpflichtet, mit dem Geld aus Auslaufannuitäten wieder zu bauen – so gibt es aber Bauträger, die ihre Bautätigkeit eingestellt haben. Das zeigen beispielsweise die Prüfberichte der Donau-City Wohnbau AG und der Stadtrand Süd. Bei Letzterer ist übrigens der ehemalige Landeshauptmann Burgenlands Johann Sipötz (SPÖ) im Vorstand. In den vergangenen zwei Jahren wurde keine Wohnung fertiggestellt.

Privat wohnt man billiger

Ob eine Genossenschaft ihren gesetzlichen Auftrag zu bauen erfüllt, das prüft der Revisionsverband und verteilt gegebenenfalls Strafen: Die gemeinnützigen Bauträger müssen nach drei Jahren Bauabstinenz ihre Rücklagen versteuern – davon sind sie normalerweise befreit. Wie oft das passiert und wie viel Geld durch die Rücklagensteuerung eingenommen wird, kann nicht ermittelt werden.

Die Vorstände jenes Revisionsverbands sind übrigens durchwegs Chefs großer gemeinnütziger Bauträger. Chef des Verbands ist der Gewog-Boss Karl Wurm, der zuletzt durch „Presse“-Recherchen medial aufgefallen ist, weil er fünf Wohnungen billiger als andere Mieter von sich selbst gekauft haben soll. Auch er meldete sich am Mittwoch via Aussendung zu Wort und verteidigte die Auslaufannuitäten, weil ausfinanzierte Wohnungen noch immer bis zu 30 Prozent billiger wären als bei privaten Vermietern. Studien zeigen allerdings, dass langfristig private Wohnungen im Durchschnitt billiger sind als Genossenschaftswohnungen.

Das dritte Argument aus Bechers Büro, dass Neubau ohne Auslaufannuitäten nicht möglich sei, widerlegen gemeinnützige Bauträger, die diese Einnahmen nicht haben, weil sie schlicht zu jung sind. Eine davon ist etwa die WBV-GÖD, die eine rege Bautätigkeit hat.

Ein auffallender Unterschied zu einer Genossenschaft, die Auslaufannuitäten kassiert, ist hier etwa auch der Eigenkapitalanteil: Dieser liegt bei der WBV-GÖD bei rund sechs Prozent – die im Besitz der SPÖ stehende Sozialbau liegt bei auffallend hohen 49,74 Prozent.

Geld wird intern ausgegeben

Das Vermögen einer Genossenschaft wird demnach teilweise erheblich durch die Auslaufannuitäten gespeist – Geld, das zum Teil nicht ausgegeben wird und auch nicht als Gewinn ausgeschüttet werden kann. Das ist gemeinnützigen Bauträgern per Gesetz verboten. Was passiert also damit? Eine Möglichkeit ist, möglichst viel davon intern für Personalkosten auszugeben. So hat die Sozialbau etwa im Vergleich zu anderen einen doch beachtlich großen Apparat.

Zuletzt fiel medial in diesem Zusammenhang auch das Gehalt von Sozialbau-Chef Herbert Ludl auf. Er kassierte 100.000 Euro mehr als vom Gesetz erlaubt, offiziell als Überstunden. Erst vor wenigen Tagen kündigte er nach harscher Kritik an, in Pension zu gehen.

AUF EINEN BLICK

Neue Gesetze. Gemeinnützige Bauträger sind dem Prinzip der Kostendeckung verpflichtet – dennoch lukrieren sie Millionen. Wie der Rechnungshof mehrmals bestätigt: zum Nachteil der Mieter. Diese bezahlen mit ihrer Miete den Kredit für die Baukosten ab, sogenannte Annuitäten. Wenn der Kredit getilgt ist, müssen sie weiterhin Auslaufannuitäten bezahlen. Offiziell dienen diese für die Sanierung und den Neubau von Wohnungen – oft wird dieses Geld aber nicht in den Wohnungskreislauf eingespeist, weil Bauträger ihre Bautätigkeit eingestellt haben. Weil Gewinne per Gesetz nicht ausgeschüttet werden dürfen, bleibt nur eine Möglichkeit: das Geld innerhalb der Firma auszugeben – wie etwa für hohe Managergagen und aufgeblähte Apparate.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2015)

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