Seit elf Jahren tobt in den muslimischen Provinzen des Südens ein Guerillakrieg, der mehr als 6400 Menschen das Leben gekostet hat. Jetzt sucht ein Dachverband der Aufständischen den Dialog.
Bangkok. Eine neu gegründete Dachorganisation, die angibt, für sechs Rebellengruppen aus dem Süden Thailands zu sprechen, hat zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit Bangkok aufgerufen. Vertreter von Mara Patani erklärten in der Nacht auf Freitag in Kuala Lumpur, sie strebten eine Lösung des Konflikts durch „friedlichen Dialog” an.
In Thailands drei südlichsten Provinzen Yala, Patani und Narathiwat tobt seit 2004 ein bewaffneter Aufstand gegen die Herrschaft Bangkoks. Mehr als 6400 Personen wurden seitdem getötet, mehr als 10.000 wurden verletzt. Bombenanschläge und Attentate auf Soldaten, Polizisten, Lehrer und Beamte sind an der Tagesordnung. Die meisten Opfer sind jedoch einfache Zivilisten.
Die Mehrheit der Bewohner der Unruheprovinzen sind muslimische Malaien, die sich ethnisch und kulturell stark von den Menschen im Rest des Landes unterscheiden und eine eigene Sprache sprechen. Dessen ungeachtet wird an den Schulen in Thai unterrichtet. Nach dem schweren Anschlag in Bangkok vergangene Woche haben zahlreiche Experten auf den Konflikt im Süden des Landes als möglichen Hintergrund hingewiesen. Über diesbezügliche Erkenntnisse verfügen die Behörden in Bangkok jedoch nach eigenen Angaben nicht.
Die Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra hat 2013 Gespräche mit Vertretern der Barisan Revolusi Nasional (BRN) eingeleitet, der vermutlich wichtigsten Separatistengruppe, die in Malaysia geführt wurden. Nach dem Militärputsch im Mai des vergangenen Jahres hat Armeeherrscher Prayuth Chan-ocha die zivile Verwaltung in der Region unter die Kontrolle des Militärs gestellt. Friedensgespräche rückten in den Hintergrund. Erst in den vergangenen Monaten haben sich Vertreter der Militärjunta wieder mit Repräsentanten der Separatisten zu geheimen Gesprächen getroffen.
Autonomierechte gefordert
Die neue Dachorganisation sei bereits im März gegründet worden, erklärt Abu Hafez Al-Hakim, ein Vertreter Mara Patani, in Kuala Lumpur. Die Forderung nach Unabhängigkeit von Thailand bestehe zwar fort, sagt er vor Pressevertretern. Die Organisation sei jedoch dazu bereit, über andere Lösungen zu verhandeln, die den Menschen in der Region Selbstbestimmung geben, fügt er hinzu.
Bisher kaum Zugeständnisse
Wie aussichtsreich der Vorstoß ist, wird sich zeigen müssen. Ein Mitglied des Verhandlungsteams der Militärregierung hat am Freitag erklärt, die Separatisten seien mit der Gründung der Dachorganisation auf die Forderung Bangkoks eingegangen, eine einheitliche Repräsentation zu schaffen.
Forderungen nach einer kulturellen Autonomie, wie es sie bereits seit Jahrzehnten gibt, hat das traditionelle Establishment in Bangkok jedoch immer kategorisch abgelehnt und auf den unitaristischen Charakter des thailändischen Staats hingewiesen. Des Weiteren ist derzeit unklar, wie groß der tatsächliche Einfluss der neue Dachorganisation auf die bewaffneten Militanten in der Region ist.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)