Wiener Warnung an Washington

Views Of The Federal Reserve As Markets Watch For Interest Rate Liftoff
Views Of The Federal Reserve As Markets Watch For Interest Rate Liftoff(c) Bloomberg
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Ökonomen der Nationalbank haben mehrere Szenarien durchgerechnet: Sollte die Federal Reserve die Zinsen zu bald oder zu rasch anheben, dann droht verlangsamtes Wachstum.

Wien/Washington. Der Countdown läuft. Zum ersten Mal seit der Finanzkrise, die eine historische Phase der Nullzinspolitik eingeleitet hat, will die wichtigste Zentralbank der Welt, die Federal Reserve, noch heuer die Zinsen anheben. Möglicherweise sogar schon kommende Woche. Aber ausgerechnet die Analysten der Oesterreichischen Nationalbank raten nun ihren Kollegen in Washington, sich diesen Schritt noch einmal zu überlegen.

Die Ökonomen Isabella Moder, Martin Feldkircher und Florian Huber haben die Zinsszenarien durchgerechnet – ein Maximalszenario, in dem die Fed-Zinsen möglichst bald und möglichst rasch steigen. Und ein Minimalzenario, in dem die Zinswende später kommt und sanfter ausfällt. Diese Szenarien haben sie für 36 Volkswirtschaften durchgerechnet, die gemeinsam rund 90 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung liefern.

Das Ergebnis: Sollte die Fed die Zinsen zu rasch anheben, könnte die gesamte restliche Welt darunter leiden. „Unter der Annahme einer schrittweisen Erhöhung der Federal Funds Rate bis 2017 auf vier Prozent vermuten wir, dass das Wirtschaftswachstum 2016 in allen Regionen außer Lateinamerika zurückgeht, und noch einmal verstärkt im Jahr 2017“, so die Ökonomen in einem Beitrag für die Plattform „Project Syndicate“. Die Wachstumseinbußen unter diesem Maximalszenario seien zehnmal so stark wie im Minimalszenario, wonach die Zinsen in den kommenden Jahren nur minimal steigen würden.

Aber egal, wann die Zinswende nun kommt – ohne Folgen wird sie garantiert nicht bleiben. „Unsere Forschungen zeigen, dass jegliche Straffung der Geldpolitik durch die Fed Folgen für den Rest der Welt hat, aber in unterschiedlichem Ausmaß: Die Schwellenländer (wie Brasilien, Indonesien oder die Türkei) werden mit Sicherheit Probleme bekommen. Aber die größten negativen Folgen werden Länder erleiden, die wie Kanada oder Mexiko enge Handelsbeziehungen zur US-Wirtschaft haben, oder Staaten wie Deutschland, Japan oder Singapur, die sehr stark mit der weltweiten Wirtschaft verflochten sind.“

Die Fed denkt nur an Amerika

Die OeNB-Ökonomen verkneifen sich in ihrem Beitrag eine direkte Empfehlung für Fed-Chefin Janet Yellen auszusprechen – sie lassen die Fakten sprechen. „Zuletzt hat die Fed die Zinsen im Jahr 2006 erhöht, bevor sie und andere Zentralbanken durch den wachstumslähmenden Einfluss der weltweiten Finanzkrise dazu veranlasst wurden, die Zinssätze effektiv auf null zu senken und sogenannte Quantitative Erleichterungen (QE) einzuführen, um Geld in die Volkswirtschaften der Industrieländer zu pumpen“, schreiben die OeNB-Ökonomen.

Schon beim Auslaufen des letzten QE-Programms der Fed sei es zu heftigen Marktturbulenzen gekommen. Und diesmal sei es nicht anders zu erwarten. Man dürfe auch nicht daran glauben, dass die Fed ihre Entscheidungen von der weltweiten Konjunktur abhängig machen werden. „Es ist allerdings wichtig zu berücksichtigen, dass das Mandat der Fed darin besteht, die nationalen wirtschaftlichen Ziele der USA zu fördern. Dies bedeutet, dass sie nicht nur die wünschenswerte Inflationsrate von zwei Prozent in Betracht zieht, sondern auch den Zustand des Arbeitsmarkts – und diese Bewertungen haben weltweite Auswirkungen.“

Heißt übersetzt: Die Beweggründe der Fed und die globalen Folgen muss man getrennt betrachten, denn als Notenbank der USA wird die Fed ihre Entscheidung nur von der US-Konjunktur abhängig machen – obwohl der Dollar als Weltwährung auch eine globale Rolle spielt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2015)

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