Wissenschaft, spannend wie ein Kriminalfall

Genetik. Er löst Rätsel, die sonst keiner lösen kann. Molekularbiologe Walther Parson nutzt neue Methoden der DNA-Technologie, um Verbrechen aufzuklären.

Walther Parson berät das FBI. Er half mit, die Opfer des Tsunamis zu identifizieren und untersuchte die sterblichen Überreste der russischen Zarenfamilie Romanow oder Wolfgang Amadeus Mozarts. Den spannendsten Fall gibt es für ihn aber nicht, sagt der forensische Molekularbiologe vom Institut für Gerichtliche Medizin der Med-Uni Innsbruck. Denn ihn interessiert die Wissenschaft hinter den Fällen.

Die für die Forschung schwierigste Aufgabe sei momentan aber die Analyse der Überreste der im Herbst 2014 ermordeten mexikanischen Studenten. Um den stark zerstörten Spuren nachzugehen, nutzt Parson erstmals die sogenannte Hochdurchsatzsequenzierung. Damit will man Fälle künftig schneller klären, die bisher überhaupt nicht mehr analysierbar waren. Mit dem neuen Verfahren stehe man vor einem Quantensprung in der DNA-Technologie: „Wir rücken in neue Sphären vor“, sagt Parson.

Denn brauchte man früher zumindest eine münzgroße Blutspur zur Identifizierung, reichen heute mit dem freiem Auge nicht mehr erkennbare Gewebereste. Die Forscher „angeln“ selbst winzige DNA-Fragmente aus einer Lösung heraus, stabilisieren und sequenzieren sie. Selbst nur wenige hunderttausendstel Millimeter kleine DNA-Abschnitte können so noch untersucht werden. Erst in der Vorwoche wurde die Methode beim Weltkongress der Forensiker vorgestellt – mit überwältigendem Echo, wie er berichtet.

Das trägt dazu bei, dass Innsbruck heute als international beachtetes Zentrum der DNA-Technologie gilt. Sein Labor baute Parson ab 1994 als Österreichisches Zentrallabor auf. Dort wird ein Großteil der Kriminaldelikte, die hierzulande passieren, untersucht. Außerdem beraten die Forscher das Innenministerium. Mit seinem beruflichen Wissen Ergebnisse zu liefern, die für kriminalistische Untersuchungen und letztlich für die Rechtsprechung entscheidend sind, fasziniert Parson, zugleich sieht er die Aufgabe als große Verantwortung.

Wissenschaftlich reizt ihn aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen. Wie nutzt DNA-Technologie etwa den Sprachwissenschaftlern? Welche Sprachen verwandt sind, sei bekannt, nicht aber wie sie übernommen wurden, sagt Parson. Wurden sie durch Kommunikation weitergegeben oder weil die Menschen sich vermischten? In einem Projekt zu den Almennamen Osttirols zeigte er mit seinem Team, wie gut die genetischen und sprachwissenschaftlichen Daten übereinstimmen. Auch hier kann die DNA Beweise liefern.

Privat zieht es den Tiroler in die Berge: zum Bergsteigen und Skifahren. Oder er verbringt die Zeit mit der Familie, beruflich ist er ohnehin viel unterwegs. Um die Schulden einer Weltreise abzuarbeiten, kam er einst nach dem Biologiestudium ans Gerichtsmedizinische Institut – zufällig, denn eigentlich wollte er Taxi fahren. Doch er blieb und baute die in den Kinderschuhen steckende forensische Molekularbiologie auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2015)

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