Tony Abbott litt unter fallenden Beliebtheitswerten und wurde am Montag als Chef der Liberalen abgesetzt, was den Verlust des Regierungsamts nach sich zieht. Sein Nachfolger wird der Millionär Malcolm Turnbull.
Der australische Premierminister, Tony Abbott, ist am Montag als Parteichef abgewählt worden und verliert damit automatisch auch sein Amt als Regierungschef. Abbott unterlag bei der Abstimmung um den Vorsitz der Liberalen seinem 60-jährigen Herausforderer Malcolm Turnbull in der Hauptadt Canberra mit 44 zu 54 Stimmen.
Nach der derzeitigen Sitzverteilung im australischen Parlament wird der neue Parteichef Turnbull automatisch auch neuer Premierminister. Abbott stand zuletzt zunehmend in der Kritik. Seine Umfragewerte waren im Keller, die seiner Koalition mit bürgerlichen Parteien lagen weit hinter denen für die oppositionelle Labor-Partei. Für Aufsehen sorgten oft kontroverse Aussagen Abbotts rechts vom politischen Mainstream, etwa jene im Dezember 2013, dass körperliche Züchtigung erlaubt bleiben müsse. Linke, Alternative und Vertreter der Ureinwohner verärgerte Abbott Mitte des Vorjahres mit der Bemerkung, Australien sei vor der Landung britischer Kolonisten 1788 "kaum besiedelt" gewesen.
Anfang Februar hatte Abbott (57) ein Votum in seiner Liberalen Partei über die Absetzung noch überstanden. Die Koalition war nach der Parlamentswahl im September 2013 an die Macht gekommen. Der ehemalige Banker und Multimillionär Turnbull ist bereits seit längerem Abbotts Gegenspieler. Er hatte am Montag überraschend angekündigt, sich gegen Abbott zu stellen. Dieser habe bisher nur Slogans statt Taten gesetzt und riskiere damit, bei den nächsten Wahlen Labor zu unterliegen.
Der "Fünfte Kontinent", wie man das hochentwickelte riesige Land mit seinen aktuell etwa 24 Millionen Einwohnern auch nennt, hat, so der US-Schriftsteller Bill Bryson in seiner launigen Reiseerzählung "Down Under" aus dem Jahre 2000, das Schicksal, dass niemand außerhalb Australiens dessen Regierungschefs kennt.
Abbott (aus dem Bundesstaat New South Wales stammend) war der 28. Premier in der Geschichte des 1901 als Commonwealth of Australia durch den Zusammenschluss der lokalen Kolonien gegründeten Riesenlandes. Die fünf direkt vor ihm regierenden Premiers waren Kevin Rudd aus Queensland (2013 sowie 2007-2010, Labor Party), Julia Gillard aus Victoria (2010-13, Labor Party), John Howard aus New South Wales (1996-2007, Liberal Party), Paul Keating aus New South Wales (1991-96, Labor) und Bob Hawke aus Victoria (1983-91, Labor).
Der Premier, der im Meer verschwand
Der erste Regierungschef von "Down Under" war 1901 bis 1903 Sir Edmund Barton von der Protectionist Party (diese ging später in den Liberalen auf). Hier zur Liste der australischen Premiers.
Einer davon erlangte übrigens traurige Berühmtheit: Harold Holt (1908-67, Amtszeit seit Jänner 1966), ein Liberaler und bekannter Lebemann aus Sydney, ging im Dezember 1967 an einem Strand bei Portsea im Süden von Melbourne (Victoria) schwimmen. Er verschwand im Meer, das an dieser Stelle für Strömungen berüchtigt ist, aus den Augen mehrerer Begleiter, die am Strand geblieben waren, und ward trotz einer sofort gestarteten großen Suchaktion mit Booten, Hubschraubern und Flugzeugen nie wieder gesehen.
Gerüchte über einen vorgetäuschten Tod, um mit einer Geliebten durchzubrennen, oder einen Suizid wegen Depressionen wollen bis heute nicht ganz verstummen. Es dürfte aber einfach ein gewöhnlicher Unfall, eventuell mitausgelöst durch Kreislaufschwäche oder Herzinfarkt, gewesen sein. (wg)
