Gentechnik: Menschenhirn im Affenkopf?

Makaken-Äffchen als Versuchsobjekt
Makaken-Äffchen als Versuchsobjekt(c) EPA (Everett Kennedy Brown)
  • Drucken

Die ersten transgenen Primaten bringen die Biomedizin voran, aktualisieren aber auch alte Ängste. 1980 wurde an Mäusen die Technik entwickelt, mit der fremde Gene eingebracht werden, zielgenau und so dauerhaft, dass sie auch in die Keimbahn kommen, vererbt werden.

Herzig sehen sie aus, die Äffchen, die den nächsten Durchbruch der Biotechnik in sich tragen. Man sieht es ihnen nur unter UV-Licht an – dann leuchten sie grün –, und sie selbst wissen natürlich nichts davon. Aber ihre Kindeskinder werden es vielleicht einmal ahnen, das ist das Spukhafte an den Kreaturen, die eine Gruppe um Erika Sasaki (Keio University) mit allen Raffinessen der Gentechnik gebaut hat: Den Tieren ist ein Fremdgen eingebaut – das für das Leuchten –, und das geben sie an ihren Nachwuchs weiter.

Das klingt nicht allzu aufregend, ist aber der erste Schritt zum „Biomedical Supermodel“, wie das Journal Nature seine Publikation bewirbt (459. S.523): Seit den 80er-Jahren arbeitet die Biomedizin mit „Tiermodellen“, das sind Versuchstiere, die oft gentechnisch ein Stück weit vermenschlicht werden, um an ihnen Krankheiten des Menschen zu erhellen. Dazu bringt man menschliche Gene in sie ein, und sie sollen die an ihren Nachwuchs weitergeben. Letzteres ging lange nur an Labormäusen, man hat an ihnen Leiden von Asthma bis Schizophrenie simuliert. Aber sie sind eben Mäuse, man hätte gerne Modelltiere, die mit uns enger verwandt sind: Primaten.

Keimbahn wird manipulierbar

Bei denen gelang es bisher nie, Gene so einzubauen, dass sie auch in die Keimbahn kommen und vererbt werden (man hat schon transgene Affen gebaut, aber die gaben die Gene nicht weiter). Nun ist es so weit, an Weißbüscheläffchen: Die Forscher konnten Fremdgene in so großer Zahl in befruchtete Eizellen einbringen, dass sie auch in die Keimbahn kamen und weitergegeben wurden. Damit ist gezeigt – „proof of principle“ –, dass Keimbahnmanipulationen bei Primaten technisch möglich sind.

„Es ist unzweifelhaft ein Meilenstein“, rühmt ein Begleitkommentar (459, S.515), erinnert jedoch daran, dass auch wir Primaten sind, und warnt vor einer Anwendung der Methode für „reproduktive Zwecke“: Genetische Manipulationen der Keimbahn waren Ende der 80er-Jahre ein großes Thema, sie sollten viele Krankheiten heilen („Keimbahntherapie“), aber sie waren erstens technisch bei Menschen nicht möglich und wurden zweitens tabuisiert, da sie den „Menschen nach Maß“ hätten bringen können.

Der rückt nun näher, Tabus halten für gewöhnlich nicht lange, wenn ihre technischen Grenzen entfallen. Das ist das eine Problem der Äffchen. Das zweite liegt darin, dass „Tiermodelle“ partiell vermenschlicht sind, sie sind Chimären, Mensch/Tier-Mischungen. Und zwar ganz andere als die in letzter Zeit im Zusammenhang mit embryonalen Stammzellen (ES) debattierten: Bei denen geht es darum, dass etwa eine Eizelle eines Rindes mit DNA des Menschen ausgestattet wird; aus dem Embryo werden ES entnommen, der Embryo wird dabei zerstört.

Aber die Affen mit dem Leuchtgen leben. Das Gen ist zwar nicht vom Menschen, aber es soll ja nur zeigen, dass man Gene einbauen kann, menschliche werden folgen. Man könnte bei diesen Tieren etwa – um HIV-Infektionen zu studieren – das Immunsystem ausschalten und durch das des Menschen ersetzen. Oder man könnte, wenn man Krankheiten des Gehirns simulieren will, Teile des Gehirns vermenschlichen. Exakt das wollen die Forscher, ihr Tiermodell soll etwa Parkinson erhellen.

Aber was wäre so ein Wesen? 2005 baute Irving Weissman (Stanford) eine Maus mit teilweise menschlichem Gehirn, er war sicher, es gehe auch mit dem ganzen Gehirn. Das Ethikkomitee hatte zugestimmt, aber es wollte die Tiere beobachten: „Wenn wir Zeichen menschlicher Hirnstrukturen sehen oder wenn die Mäuse menschenähnliches Verhalten zeigen – verbessertes Gedächtnis oder Problemlösen –, ist es Zeit aufzuhören“, erklärte der Vorsitzende des Komitees.

Moralischer Status?

Man hat nichts mehr davon gehört, man hörte allerdings auch 2005 davon, dass über die Vermenschlichung von Affengehirnen (mit anderen Mitteln: Stammzellen) nachgedacht wurde: „Ein vorstellbares Ergebnis einer Transplantation menschlicher Hirnstammzellen ist das, dass die resultierende Kreatur menschenähnliche kognitive Fähigkeiten entwickelt, die für ihren (der Kreatur) moralischen Status relevant sind.“ Zu diesem Schluss kam eine Expertengruppe, die damals im Gedankenexperiment durchgespielt hatte, was nun möglich wird.

TRANSGENE TIERE

1980 wurdean Mäusen die Technik entwickelt, mit der fremde Gene eingebracht werden, zielgenau und so dauerhaft, dass sie auch in die Keimbahn kommen, vererbt werden. Das brachte partiell vermenschlichte „Tiermodelle“ und Hoffnung auf Gentherapien, auch auf Keimbahntherapie. Die wurde tabuisiert („Mensch nach Maß“), aber sie war auch technisch nicht möglich, das Verfahren funktionierte nur an Mäusen.

1996 kam das Klonschaf „Dolly“. Es war der Ausweg aus dem Problem, die exakte Platzierung von Fremdgenen war nun auch bei anderen Tieren möglich.

2009 ist dieser Ausweg bei Primaten nun entbehrlich, die Keimbahn kann manipuliert werden. Theoretisch auch bei Menschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.