»Adèle«: Liebe am Tor zur Hölle

(c) Verlag Zsolnay
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»Adèle« von Irene Ruttmann ist ein literarisches Kleinod über eine verbotene Liebe mitten im Ersten Weltkrieg.

Als Max Adèle findet, sucht er eigentlich nach Salbei gegen die Bauchschmerzen seiner Kameraden. Doch dann sitzt sie vor ihm, so ganz anders als alles, was der junge Sanitäter im Ersten Weltkrieg in den vergangenen Jahren gesehen, gerochen und gefühlt hat. Adèle ist jung, sie ist schön, und sie trägt eine leuchtend rote Jacke, „die fuhr mir in die Augen, als hätte ich seit hundert Jahren das erste Rot wieder gesehen. Das viele Blut der letzten Monate zählte nicht“.

Es ist Liebe auf den ersten Blick zwischen dem jungen Deutschen, der nichts leicht nehmen kann, und dem französischen Mädchen, das Schwierigkeiten gern mit einer Handbewegung beiseite wischt. Zwar darf ihre Liebe nicht sein, doch ist das kapriziöse Schicksal erstaunlich gütig mit Max und Adèle. Es schenkt ihnen eine gewisse Zeit und lässt ihnen ihre Geheimnisse.

Irene Ruttmann, 1933 in Dresden geboren, war schon als Kinder- und Jugendbuchautorin bekannt, ehe sie 2001 mit „Das Ultimatum“ Furore machte. Auch „Adèle“ ist wunderbar gelungen und ebenfalls, so darf man vermuten, mit einer gewissen Dosis Autobiografischem versetzt. Die Erzählstimme ist jene von Max beziehungsweise seiner Kriegstagebücher aus dem Jahr 1916, die seine erwachsene Tochter entdeckt. Ihr Ton ist zurückhaltend und präzise, gleichzeitig aber innig und rührend. Ruttmann verzichtet auf jede Dramatik, ohne die Gräuel des Krieges schönzufärben oder der Liebe zwischen Max und Adèle etwas von ihrer Tiefe zu nehmen. Einfach ein schönes Buch. do

Irene Ruttmann: „Adèle“, Verlag Zsolnay, 160 Seiten, 18,40 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2015)

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