Rote Verluste: „Wir haben dieses Duell gewonnen“

Landtagspräsident Harry Kopietz (L/SPÖ) und Karl Blecha (M) am Sonntag bei der SPÖ-Wahlfeier.
Landtagspräsident Harry Kopietz (L/SPÖ) und Karl Blecha (M) am Sonntag bei der SPÖ-Wahlfeier.APA/HERBERT NEUBAUER
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Die SPÖ ist entgegen aller Meinungsumfragen überraschend mit einem blauen Auge davon gekommen. Die Genossen feiern Michael Häupl, der ankündigt: „In der Partei muss und wird sich etwas ändern.“

Wien. Lauter Jubel brandet durch das Festzelt vor der SPÖ-Parteizentrale in der Löwelstraße. Michael Häupl zieht ein, umringt von SPÖ-Prominenz und Parteianhängern, er schüttelt lächelnd Hand um Hand, genießt die Sprechchöre und das Schulterklopfen. Es ist dieselbe Szene, wie wenige Stunden davor, als Häupl in den Festsaal des Wiener Rathauses einzog um die erste Diskussion der Spitzenkandidaten zu bestreiten. Auch hier musste er sich durch seine jubelnde Anhängerschaft kämpfen.

Selten zuvor war eine Partei über ein Minus von rund fünf Prozentpunkten bei einer Wahl so glücklich. „Mit Haltung kann man eine Wahl gewinnen“, meint eine euphorische Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger zur „Presse“. Und sie drückt damit aus, was an diesem Abend überall in der Bürgermeisterpartei zu hören ist: „Wir haben die Wahl gewonnen. Wir haben das Duell gewonnen.“ Dass es ein Minus von rund fünf Prozent war, ist für die Genossen vernachlässigbar. Denn ursprünglich hatten Meinungsforscher der SPÖ ein derart massives Minus prognostiziert, dass selbst der Verlust von Platz ein möglich schien. Theoretisch.

Jedenfalls ist die Partei an diesem Wahlabend durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen. „Ich bin in der letzten Stunde fast gestorben“, meint der rote Gemeinderat Omar Al-Rawiund fächert sich mit einem Blatt Papier Luft zu: „Das hätte ich nicht gedacht.“

Immerhin hatte nichts an diesem Tag oder auch vor der Wahl auf einen derart klaren Vorsprung der SPÖ auf die FPÖ hingedeutet. Vielmehr herrschte bei den Genossen um 17 Uhr, als die erste Umfrage über die Bildschirme flimmerte, Katzenjammer. Es schien, als wäre das prognostizierte Kopf-an-Kopf-Rennen eingetreten – die Analyse sagte der Partei zwischen 34,5 und 37,5 Prozent voraus. Die FPÖ lag da zwischen 33 und 36 Prozent. Der Vorsprung von rund zwei Prozentpunkten hätte sich jederzeit drehen können, weshalb Parteimanager Georg Niedermühlbichler bereits vorgeschickt wurde, die vermeintliche Niederlage zu erklären: „Ein Minus ist immer schlecht. Aber wir hatten ein Duell, das haben wir gewonnen“, hatte Niedermühlbichler das (zu diesem Zeitpunkt) vermeintlich schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der Wiener SPÖ erklärt: „Es ist unter diesen Umständen, in dieser besonderen Situation“, erläuterte der rote Parteimanager den anwesenden Journalisten in Anspielung an den Flüchtlingsansturm, „ein Ergebnis, mit dem man leben kann. Wir haben den Auftrag, für weitere fünf Jahre den Bürgermeister zu stellen“. Auch Landtagspräsident Harry Kopietz, der engste Berater von Michael Häupl, hatte mit ernster Mine gemeint: „Wir haben gegenüber der Wahl 2010 verloren. Das ist nicht erfreulich.“ Nachsatz, ähnlich wie bei Niedermühlbichler: „Bei diesem Duell (Häupl gegen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Anm.) kommt aber nur einer als Sieger hervor. Und die Sozialdemokratie ist vorne“, erklärte Kopietz bestimmt.

Als der Zeiger der Uhr unaufhaltsam in Richtung 18 Uhr wanderte, hatten viele SPÖ-Funktionäre die erste Hochrechnung mit gesenkten Köpfen erwartet. Als der rote Balken dann aber immer weiter nach oben ging, schließlich bei 39,4 Prozent landete, betrachteten einige Genossen das Ergebnis ungläubig: „Wahnsinn.“

Häupl kündigt Konsequenzen an

Für die SPÖ ist das Minus ein Sieg, Häupl hatte aber bereits im Vorfeld Unzufriedenheit mit seiner Partei geäußert und Konsequenzen angekündigt: „Wir werden sicher Änderungen in der Parteistruktur vornehmen. Facebook oder Twitter für diese Menschen zu verwenden, ist absurd, da erreichen wir die, die wir erreichen wollen, gar nicht“, meinte Häupl über jene, die in der Vergangenheit bei Wahlen ein verlässliches Bollwerk für die SPÖ waren – also Pensionisten, Menschen mit Migrationshintergrund und sozial Schwache in den Gemeindebauten. Nach der Stimmabgabe am Sonntagmorgen und auch in einer ersten Reaktion, als feststand, dass die SPÖ mit deutlichem Abstand Nummer eins in Wien bleibt, wiederholte der SPÖ-Chef demonstrativ diese Ankündigung. Was das bedeutet? Aus SPÖ-Kreisen ist zu hören: „Das betrifft nicht nur die Wiener Partei. Das betrifft auch die Bundespartei.“

IN KÜRZE

Schlechtes Ergebnis. Bei der Gemeinderatswahl 2015 kratzte die Wiener SPÖ an einem der schlechtesten Ergebnisse seit 1945. Den bisher geringsten Zuspruch bei den Wählern fand die Partei 1996 mit 39,2 Prozent. Es war damals die erste Wahl von Michael Häupl als Nachfolger von Helmut Zilk und als SPÖ-Spitzenkandidat. Damals musste die Partei in eine Koalition mit der ÖVP. Nach zwischenzeitlicher Alleinregierung koalierte die SPÖ 2010 mit den Grünen.

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