„Lernen ist kein Event, sondern ein Prozess“

Betriebliche Weiterbildung. Trotz knapper Budgets hat Bildung bei vielen Unternehmen einen wachsenden Stellenwert. Welche Inhalte konkret gefragt sind und wie Weiterbildung im Unternehmen organisiert werden soll.

Learning und Leadership, das sind laut der Studie Human-Capital (HC) von Deloitte – der laut Verfasser größten globalen HC-Studie mit über 3000 befragten Managern und Personalreferenten – die kommenden Themen in der betrieblichen Weiterbildung. „Das Thema Leadership ist in der Wertigkeit auf Platz zwei, Learning ist von Platz acht auf Platz drei gestiegen“ sagt Barbara Demel, HC-Managerin bei Deloitte Österreich. Auch für Franziska Fink, Senior Consultant der Beratergruppe Neuwaldegg, hat der Wert der Weiterbildung stark zugenommen. „Einerseits haben viele Unternehmen verstanden, dass der Weg zu einer Organisation, die sich an veränderte Rahmenbedingungen anpassen kann, vor allem über die Weiterentwicklung der Mitarbeiter führt, andererseits fordert die nun nachrückende Generation Y persönliche Entwicklungsmöglichkeiten“, weiß Fink. Gleichzeitig werde aber bei Einsparungen oft zuerst bei der Weiterbildung gekürzt. Auch Eva-Maria Ayberk, Leiterin des Hernstein-Instituts, sieht einen Rückgang der Bildungsbudgets, der sich aber aktuell einpendelt. Im unteren Management findet im Vergleich zur mittleren und höheren Ebene weniger Weiterbildung statt, was laut Ayberk überrascht, da insbesondere am Beginn der Managementkarriere Bedarf besteht.

Einig sind sich die Experten, dass das Gießkannenprinzip ausgedient hat. Inhaltlich wie organisatorisch findet eine Fokussierung statt. „Die Bereitschaft, ,auf Halde‘ zu lernen, sinkt“, so Demel. Laut Ayberk achten die Arbeitgeber genauer auf Bedarf und Wirksamkeit, denken strategischer und fragen: „Was ist für das ganze Unternehmen sinnvoll?“ „Lernziele müssen messbare Erfolge erzielen, dazu ist es notwendig, sie an spezifische Unternehmensziele zu koppeln“, ergänzt Stefan Weiss, Director Human Capital Advisory Services bei Deloitte.

Praxisorientierte Inhalte

Inhaltlich ist das Thema Leadership aktuell. Das belegt nicht nur besagte Deloitte-Studie, auch von den von Hernstein befragten Managern haben sich 40 Prozent in den letzten zwölf Monaten fachlich weitergebildet, je 30 Prozent zu Leadership- und Managementthemen. Wobei der Anteil an Leadership mit der Hierarchieebene steigt. Allerdings gibt es laut Weiß eine Abkehr vom reinen Persönlichkeitstraining und Teambuilding. Alle Experten bestätigen einen Trend zu praxisorientierten Inhalten. „Gefragt sind Learning Journeys, die aktuelle Fragestellungen und Probleme der Beteiligten ins Zentrum stellen, etwa beim ,Experience Learning‘, bei dem echte Situationen in einem geschützten Rahmen durchexerziert werden“, so Weiss. Auch bei Neuwaldegg setzt man auf Lernen durch Erfahrung, etwa in Simulationen, die anschließend reflektiert werden.

Organisatorisch geht der Trend hin zu kürzeren Einheiten und modularem Aufbau. Auch E-Learning sehen die Experten im Vormarsch. „Physische Anwesenheit ist nicht mehr überall erforderlich“, so Fink. „Parallel zur Technologisierung der Produktionsabläufe folgt eine Technologisierung des Lernens“, sagt Weiss. Allerdings gebe es global und insbesondere in Österreich noch Zurückhaltung, auch wegen schlechter Erfahrungen mit E-Learning aus der Vergangenheit. „Digitale Lernmethoden müssen attraktiv gestaltet werden“, mahnt der Deloitte-Experte. Ayberk macht auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: „Vor allem für Führungskräfte spielt die Vernetzung als Nebeneffekt eine große Rolle, Manager bevorzugen daher Präsenzformate.“ Unabhängig von konkreten Organisationsformen fordert Weiss eine ganzheitliche Sichtweise: „Lernen ist kein Event, sondern ein kontinuierlicher Prozess.“

Führungskraft als Trainer

In diesem spielen die Führungskräfte für Weiss eine Doppelrolle: Im Zug des Leader-Led Learning sollen sie auch selbst Trainer für ihre Mitarbeiter sein, wobei Weiss betont, dass auf praktisch jedem Level Führungsaufgaben wahrgenommen werden. Für diese Aufgabe muss auch Zeit eingeplant werden, was einen Kulturwandel und mehr Wertschätzung für Lernen und Lehren erfordert.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie angesichts von Zeitdruck und hoher Arbeitsbelastung Mitarbeiter zu Weiterbildungsmaßnahmen motiviert werden können. Hier fordert Weiss ein Umdenken: Statt defizitgesteuert zu agieren – etwa wenn im Mitarbeitergespräch Schwächen erkannt werden –, sollten Mitarbeiter von sich aus Maßnahmen anstreben. Dazu müsse man im Sinn eines Marketingprozesses für Weiterbildung werben, zum Beispiel mit SMS auf kommende Webinare hinweisen, was laut Weiss Aufgabe eines Learning Experience Managers ist. Allerdings: „Oberster Personalentwickler ist die Führungskraft, der Personalentwickler muss dazu die Strukturen bereitstellen“, umreißt Weiss die Verantwortlichkeiten, die allerdings auch beim Mitarbeiter selbst liegen. Ayberk sieht die Verantwortung zu je einem Drittel bei Mitarbeiter, Führungskraft und HR-Manager.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2015)

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