Stichtag für die Klopp-Mania

Jürgen Klopp
Jürgen Klopp(c) AFP (PAUL ELLIS)
  • Drucken

Lästige Fragen und Fotografen, dazu die quälende Ungewissheit vor dem ersten Liverpool-Spiel heute gegen Tottenham: Jürgen Klopp und sein System stehen auf dem Prüfstand.

Liverpool/London. Seit einer Woche ist der Deutsche Jürgen Klopp Trainer des in der Premier League strauchelnden Traditionsvereins FC Liverpool. Die Reds sehnen sich nach Befreiung und Erfolgen, das Warten auf den 19. Meistertitel hält seit 1990 Stadt und Verein in Bewegung. Mit „Klopp for the Kop“ – diese Werbung wurde zuletzt quer durch die Stadt plakatiert – soll die Wende gelingen. Dem 48-Jährigen wird viel Vertrauen entgegengebracht, er machte auch viel Stimmung als Motivator mit sympathischen Aussagen wie „I am the normal one“ oder „Hört auf zu jammern, beginnt zu glauben“.

Heute ist es aber mit Versprechungen, Prognosen und Theorien vorbei. Liverpool ist in London an der White Hart Lane zu Gast (13.45 Uhr, live Sky), gegen Tottenham erlebt der ehemalige BVB-Meistermacher seine Feuerprobe. Dass das Geschäft im Profifußball auf der Insel anders läuft, musste auch Klopp zur Kenntnis nehmen. Fans zeigen mitunter mehr Respekt vor der Privatsphäre ihrer Stars als in anderen Ländern, aber nicht die Boulevardmedien und ihre Paparazzi. Sie trieben die Klopp-Mania in Liverpool auf die Spitze.

Die List englischer Paparazzi

Klopp stand unter Beobachtung, überall lauerten Fotografen, in Mainz oder Dortmund undenkbar, in England aber „part of the game“. Der Deutsche ärgerte sich, „die Paparazzi wissen offensichtlich schon vorher, wo ich hingehe“, richtete er etwa der „Bild“-Zeitung aus. „Ich mag es nicht, andauernd fotografiert zu werden. Ein komischer Job, drei Stunden auf jemanden zu warten, hastig ein Bild zu schießen, um dann abzuhauen.“ Egal, ob Restaurant, Trainingscenter in Melwood, Klopp blieb das meistbegehrte Motiv.

Gegen die Hotspurs stehen er, seine Anschauung von Fußball und die neue Marschrichtung der Reds auf dem Prüfstand. Was war, interessiert den Deutschen nicht, auch Fehler bei Transfers – 300 Millionen Pfund seit 2012 für großteils Fehlkäufe – oder Missverständnisse im Training, er wischte alles beiseite.

In der ersten Trainingswoche hat Klopp vor allem im mentalen Bereich mit seinen Spielern gearbeitet. Da wollte er ansetzen, in den Köpfen, denn Fußball spielen könnten sie ja, auf Neueinkäufe wird vorerst verzichtet. Das Team soll das Selbstvertrauen wiederfinden, „dafür bin ich hier“, betonte Liverpools erster deutscher Trainer und zugleich elfter Nichtengländer seit 1896. Beim Tabellenzehnten ist auch Improvisation gefragt, vor allem in der Offensive. Mit Benteke, Firmino und Ings fallen drei Stürmer aus, Sturridge klagt über Schmerzen im Knie.

Jammern wollte Klopp dennoch nicht, im Gegenteil. Er hält die enorm hohe Erwartungshaltung der Liverpool-Anhänger an seine Person für unproblematisch: „Ich habe an mich selbst immer die höchsten Ansprüche. Ich brauche niemanden, der mir sagt, dass ich Erfolg haben muss“, sagte der zweifache deutsche Meistertrainer. Mauricio Pochettino, der Argentinier, betreut den Wimmer-Klub Tottenham, hat sich übrigens alternativ auf dieses Spiel vorbereitet – mit Videos von BVB-Spielen. Die Spurs unterlagen in Ligaduellen zuletzt fünfmal in Serie, in den vergangenen zwei Saisonen gewann Liverpool in Nordlondon mit 5:0 und 3:0.

Mourinho: „Keine Fußfessel“

Wie sehr Fußballmanager in England polarisieren, lebt der Portugiese José Mourinho vor. Chelseas Mastermind wurde für zu heftige Schiedsrichterkritik mit der Rekordstrafe von 67.500 Euro belegt, zudem erhielt er eine Sperre für ein Spiel. Statt die Ruhe zurückzugewinnen, war Mourinho erbost, er attackierte den Verband, freilich einmal mehr Erzfeind Arsène Wenger und verglich sich mit einem Schwerverbrecher. „Ich bin froh, dass ich keine elektronische Fußfessel tragen muss“, ätzte der 52-Jährige bei der Vorstellung seiner Biografie. „50.000 Pfund sind eine Schande.“

Ob Jürgen Klopp je solch einen Kultstatus erreichen wird? Mit Referee-Attacken hat er ja auch selbst durchaus Erfahrung . . . (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

liverpool klopp
Fußball-International

"The Normal One": Hype um neuen Liverpool-Trainer Klopp

In Anspielung auf Jose Mourinhos Rufnamen "The Special One" bezeichnete sich Jürgen Klopp bei einer Pressekonferenz als "The Normal One". Liverpool verkauft bereits Klopp-Devotionalien.
An der Anfield Road soll Jürgen Klopp das Dortmund-Märchen wiederholen.
Fußball-International

Jürgen Klopp: Kulttrainer trifft Kultverein

Reich an Geschichte, arm an Erfolgen: der Liverpool FC erwartet sich nicht weniger als einen Heilsbringer, Jürgen Klopp soll an der Anfield Road neue Euphorie entfachen.
Jürgen Klopp
Fußball-International

Klopp ist neuer Trainer von Liverpool

Jürgen Klopp darf seine beiden Assistenten mitbringen, erhält einen Dreijahresvertrag und verdient rund 10 Millionen Euro pro Jahr.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.