Stuchlik: "Schiedsrichter sprießen nicht aus dem Boden"

TIPP3-BUNDESLIGA: KAPFENBERGER SV SUPERFUND - SV MATTERSBURG =
TIPP3-BUNDESLIGA: KAPFENBERGER SV SUPERFUND - SV MATTERSBURG =MARKUS LEODOLTER / APA / picturedesk.com
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Der Manager der österreichischen Unparteiischen, Fritz Stuchlik, über Kritik, Nachwuchs und den schwierigen Sprung in die Uefa-Elite.

Vor der Länderspielpause hat Damir Canadi eine Wutrede gegen das österreichische Schiedsrichterwesen gehalten. Mit etwas Abstand: Wie beurteilen Sie diese?

Fritz Stuchlik: Ich sehe das als eine emotionale Reaktion nach einem Spiel, das aus meiner Sicht nicht so gut gelaufen ist.

Das heißt, für Sie ist das Thema eigentlich abgehakt?

Ich bin nicht nachtragend.

Canadi ging es aber nicht um das eine Spiel, sondern darum, dass Pfiffe generell zu kleinlich seien und jede Woche „desolate Entscheidungen“ passieren würden.

Es gibt bei uns keine allgemeine Linie, die man als zu kleinlich oder zu großzügig bezeichnen kann. Was ist kleinlich, was ist großzügig? Das kommt immer auf die Sicht des Betrachters an. Die richtige Entscheidung ist die wichtige. Wenn Fehler passiert sind, dann sind das Einzelfehler, die bedauerlich sind.

Der Altach-Trainer hat auch angeprangert, dass Schiedsrichter teilweise Angst hätten und Entscheidungen in Ihrem Sinn treffen würden.

Jeder Schiedsrichter wird möglichst viele richtige Entscheidungen treffen wollen. Das heißt, er sieht eine Situation, beurteilt sie in einer Zehntelsekunde und trifft eine Entscheidung. Sie kann richtig, manchmal leider auch unrichtig sein. Schon allein aus Zeitgründen ist es unmöglich nachzudenken, ob eine Entscheidung im Sinn von dem oder dem ist. Das ist ein absurder Vorwurf.

In dieser Aussage schwingt doch der Vorwurf mit, dass Sie einen bestimmten Einfluss auf die Schiedsrichter ausüben.

Da müssen Sie Herrn Canadi fragen, was er konkret gemeint hat. Ich kann nur sagen, dass die Schiedsrichter im Eigeninteresse möglichst wenig Fehler begehen möchten. Da das auch in meinem Interesse ist, tun sie gut daran, möglichst wenig Fehler zu begehen. Sie treffen keine Entscheidungen für oder gegen mich, sondern entsprechend ihrer Wahrnehmungen und nach dem Regelwerk.

Auch die IG Referee, die Sie nicht als Interessenvertretung der Schiedsrichter anerkennen, übt immer wieder Kritik an Ihnen. Dem ÖFB hat sie gar empfohlen, sich von Ihnen zu trennen.

Nicht ich, sondern alle Bundesliga-Schiedsrichter und ihre Assistenten haben ganz klar und deutlich festgestellt, dass die IG Referee nicht ihre Interessenvertretung ist. Daher sehe ich keine Notwendigkeit, mich mit Dingen, die die IG gern hätte oder möchte, zu beschäftigen.

Schon zu aktiven Schiedsrichterzeiten haben Sie polarisiert. Wie erklären Sie sich, dass sich diese persönliche Kritik wie ein roter Faden durch Ihre Karriere zieht?

Ich habe in meiner aktiven Zeit als Schiedsrichter, so wie auch jetzt, klare Standpunkte vertreten, und das ist für manche unangenehm. Wenn man dabei auch einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, dann tut das sein Übriges, und man wird auch kritisiert, das ist völlig normal.

Eines ist aber Fakt: Österreich hat seit Jahren keinen Schiedsrichter mehr auf Topniveau. Konrad Plautz hat 2008 zuletzt bei einer EM-Endrunde, Thomas Einwaller 2011 ein Champions-League-Spiel gepfiffen. Woran liegt das?

Die Zeiten ändern sich, die Quantität wurde größer, auch die Qualität. Dadurch ist es ungleich schwieriger geworden, zu einem Finale auf Fifa- und Uefa-Ebene zu kommen. Zudem sprießen die Schiedsrichter nicht aus dem Boden. Wir können nur versuchen, sie von unten heranzuführen. Wir haben jetzt mit Harald Lechner, Oliver Drachta und Robert Schörgenhofer drei Schiedsrichter, die in der First Category (Anm. zweithöchste Uefa-Kategorie) sind. Sie müssen schauen, dass sie über Leistungen den Sprung in die Elite schaffen.

In welchen Punkten müssen sie sich verbessern?

Man muss die Realität betrachten, dass die Schiedsrichter unterschiedliche Hintergründe mitbringen. Ein Spanier, der auf die Fifa-Liste kommt, hat schon fünfmal Spiele wie Barcelona gegen Valencia vor 80.000 Zuschauern gepfiffen. Das heißt, als Österreicher muss man eigentlich noch besser sein, um überzeugen zu können. Und die 28, die auf der Eliteliste stehen, sind nicht dort, weil sie gerade eine Sternstunde haben, sondern, weil sie konstant gute Leistungen bringen. Die Fluktuation ist daher nicht irrsinnig hoch. Wenn unsere Referees in den Europa-League-Spielen konstant gute Leistungen bringen, dann wird die Uefa-Schiedsrichterkommission sich die Frage stellen, ob einer der drei für die Topkategorie infrage kommt – falls altersbedingt ein Platz frei wird oder er stärker als einer der bereits vorhandenen ist.

Es liegt also Ihrer Meinung nach nicht an der Ausbildung; sehen Sie diesbezüglich den ÖFB gut aufgestellt?

Wenn wir die Uefa gesamt und die anderen Verbände anschauen, dann sind wir auf einem guten Niveau und brauchen uns nicht zu verstecken. Spanien oder Deutschland haben zehn Fifa-Schiedsrichter, Österreich hat sieben. Bei der Ausbildung halten wir uns exakt an die Vorgangsweise der Uefa. Es gibt jährlich ein Treffen der 54 Verbände, bei dem Lehrmaterialien verteilt, Schwerpunkte besprochen und Probleme diskutiert werden. Wir setzen genau wie die Spanier oder Italiener das um, was wir von der Uefa bekommen.

Wie viel Entscheidungsmacht und Mitsprache bei der Ausbildung haben Sie als Schiedsrichtermanager überhaupt?

Die ganzen sportpolitischen Entscheidungen treffen die Gremien des ÖFB. Die Administration, der ich angehöre, setzt das entsprechend um. Entscheidungsgewalt hat immer das Gremium. Natürlich beschäftigte ich mich damit, wie wir Dinge weiterbringen können, und bringe entsprechende Ideen und Vorschläge vor.

Inwieweit betreibt der ÖFB Lobbying?

Wir haben laufend Kontakt mit der Schiedsrichterkommission der Uefa. Aber es muss mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Die Wahrheit liegt immer auf dem Spielfeld. Auch wenn wir jetzt einen unserer Schiedsrichter lobpreisen würden, wenn er keine gute Spielleitung hat, dann nützt das alles nicht.

Könnte sich der Erfolg des Nationalteams positiv auswirken?

Es könnte durchaus Hand in Hand gehen, dass dadurch, dass das Nationalteam jetzt erfreulicherweise im Topbereich ist, auch das österreichische Schiedsrichterwesen von der Uefa anders betrachtet wird.

Zum Abschluss: Warum würden Sie Jugendlichen raten, Schiedsrichter zu werden?

Trotz aller Erschwernisse ist es eine Herausforderung, viel sportliche Betätigung und eine gute Lebensschule im Umgang mit vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten. Und weil es trotz mancher Wirrnisse dennoch Spaß und Freude macht.

Steckbrief

Fritz Stuchlik,
geboren 1966 in Wien, begann seine Schiedsrichterkarriere 1982.

Von 1992 bis 2009
leitete er insgesamt 267 Bundesliga- und 89 internationale Spiele.

Zur Zeit
ist er als Schiedsrichtermanager hauptberuflich beim ÖFB angestellt. APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2015)

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