Arbeitsmarkt: Der Gipfel der Kompromisse

Austrian Vice Chancellor Mitterlehner addresses a news conference after a cabinet meeting in Vienna
Austrian Vice Chancellor Mitterlehner addresses a news conference after a cabinet meeting in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Nach Monaten hat sich die Regierung zu einem Termin für den Beschäftigungsgipfel durchringen können: Kommende Woche treffen SPÖ und ÖVP also auf die Sozialpartner.

Wien. Genug gewurschtelt: Die Regierung hat in den kommenden Wochen zwei Fristen, bei denen sie lang aufgeschobene Maßnahmen präsentieren will – oder es zumindest versucht. Eine davon ist schon länger bekannt: Am 17. November wollen SPÖ und ÖVP ihre Bildungsreform verkünden. Einen weiteren Termin gaben Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gestern, Dienstag, nach dem Ministerrat bekannt: Der lang geplante Arbeitsmarktgipfel zwischen Regierung und Sozialpartnern soll kommende Woche, am 30. Oktober, stattfinden.

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Die Details der Tagesordnung wollte die Regierungsspitze allerdings nicht verraten. Fest steht nur: Es wird um „Fragen der Rahmenbedingungen der Beschäftigung“ gehen, wie Faymann sagte. Mitterlehner zeigte sich hingegen zuversichtlich, durch den Gipfel noch zielgerichtet und wirksam Maßnahmen setzen zu können, um im Jahr 2016 die Konjunktur zu unterstützen. Auch das Wohnbaupaket der Regierung soll besprochen werden, das demnächst in Begutachtung geschickt wird („Die Presse“ berichtete). 6000 Einheiten sollen so pro Jahr entstehen.Seit dem Frühjahr drückte sich die Regierung darum, einen Termin für den Gipfel zu fixieren: Dass sich die beiden Parteien knapp nach den Wahlen in Oberösterreich und Wien auf ein Datum geeinigt haben, ist kein Zufall. Sowohl Gewerkschaft als auch Wirtschaft müssen wohl einige Kompromisse eingehen. Und die eigene Klientel wollte man vor den wichtigen Urnengängen nicht verstimmen. Dafür wäre nun die Zeit gekommen: Vor allem aus der ÖVP heißt es, man müsse die drei kommenden Jahre ohne Wahlen (mit Ausnahme der des Bundespräsidenten) nutzen, um Reformen anzugehen.

Wirtschaft: Flexible Zeiten, strengere Regeln für Arbeitslose

Immer wieder sah es so aus, als wäre sich die Regierung bei ihrer Arbeitsmarktpolitik nähergekommen – und könnte den Sozialpartnern einen Kompromiss für ihre Forderungen anbieten. Doch dann verhärteten sich wieder die Fronten. Von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl darf sich die Regierung wahrscheinlich ohnehin nicht viel Bewegungsspielraum erwarten.

Seit der Steuerreform, die für Unternehmen einige Belastungen mit sich gebracht hat, ist der WKO-Chef nicht gut auf die Koalition zu sprechen. Das Bonus-Malus-System für Unternehmen (siehe Gewerkschaft) lehnt Leitl ab, wobei eine abgespeckte Variante im Gespräch sein soll. Bei den Plänen zu einer sechsten Urlaubswoche winken hingegen Leitl und Mitterlehner gemeinsam ab.

Änderung der Überstundenberechnung

Im Gegenzug hält die Gewerkschaft nichts von den Vorschlägen der Wirtschaftskammer: Leitl begrüßte im Sommer außerdem die schwarzen Pläne für strengere Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose. Diese sollten regeln, unter welchen Voraussetzungen Menschen ohne Beschäftigung Jobangebote des AMS annehmen müssen.

Außerdem auf der Wunschliste der Wirtschaftstreibenden: Die Arbeitszeitflexibilisierung. Also eine längere gesetzlich erlaubte Höchstarbeitszeit pro Tag sowie längere Durchrechnungszeiträume für die Berechnung von Überstunden.

Wifo: Mehr Deutschkurse, mehr Ausbildung

Die Rechnung ist eigentlich ziemlich einfach: Nach Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstituts werden heuer 73.000 neue Arbeitskräfte auf dem Markt sein. „Das heißt natürlich, dass es auf dem Arbeitsmarkt enger wird. Und dass die Arbeitslosigkeit steigt“, sagt Helmut Mahringer, Wifo-Experte für Arbeitsmarkt, Einkommen und soziale Sicherheit.

Um diese Entwicklung zumindest einzudämmen, macht Mahringer auf einige Problemfelder aufmerksam: „Die Babyboom-Generation fällt nun in die Arbeitsgruppe 50 plus“, demnach steige auch die Arbeitslosenquote von älteren Personen. Gleichzeitig steige ebenso die Anzahl von Personen mit gesundheitlichen Problemen. Diese beiden Gruppen in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren sei umso schwieriger.

In Asylwerber investieren

„Das Bonus-Malus-System ist also ein sinnvoller Ansatz“, meint der Experte. Allerdings sei dies nicht das einzige Modell, das man umsetzen könne. In den USA würden etwa Unternehmen, die mehrere Menschen in die Arbeitslosigkeit schicken, höhere Arbeitslosenbeiträge zahlen als andere Firmen. Allerdings müsse man auch Geld in die bessere Qualifizierung von Arbeitslosen jeder Altersstufe investieren. Und: bei Asylwerbern, die eine hohe Chance auf einen positiven Asylbescheid haben, bereits in Deutschkurse investieren. Das koste zwar Geld, müsse aber als Investition gesehen werden.


Gewerkschaft: Mehr Urlaub, mehr Lohn

Schon im Frühjahr vergangenen Jahres hat der Gewerkschaftsbund ein mehr oder weniger fertig ausverhandeltes Arbeitszeitpaket zwischen SPÖ und ÖVP platzen lassen. Und auch kurz vor dem Arbeitsmarktgipfel in der kommenden Woche scheint ÖGB-Präsident Erich Foglar wenig verhandlungsbereit zu sein.

Die Gewerkschaft plädiert einerseits für die Einführung der sechsten Urlaubswoche für Mitarbeiter mit mehr als 25 Dienstjahren. Allgemein will Foglar eine Arbeitszeitverkürzung. Um Firmen die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer schmackhaft zu machen, soll das viel zitierte Bonus-Malus-System eingeführt werden: Unternehmen ab 25 Mitarbeitern zahlen eine Abgabe, wenn sie zu wenige Personen über 55 Jahren beschäftigen. Im umgekehrten Fall gibt es eine Belohnung.

Anhebung des Mindestlohns

Der Gewerkschaftschef spricht sich auch für eine Anhebung des kollektivvertraglichen Mindestlohns auf 1700 Euro brutto im Monat als untere Grenze aus. Derzeit beträgt er meist 1500 Euro monatlich – rund 200.000 Beschäftigte verdienten aber nach wie vor weniger.

Im Bereich Wohnbau sprach sich Foglar im Sommer auch für eine Zweckbindung der Wohnbaumittel aus, die auch Arbeitnehmer mit dem monatlichen Wohnbauförderungsbeitrag abgeben. Seit 2008 müssen die Gelder nicht mehr zwangsläufig für diesen Bereich verwendet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2015)

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