Bob der Baumeister, das Vorbild der deutschen Schaffnerin

„Wir schaffen das“, sagt Angela Merkel gern. Henryk M. Broder erinnert das an die DDR. Es gibt freundlichere Assoziationen.

Wer erinnert sich noch daran, dass Fred Sinowatz die Energieferien eingeführt hat? (Das Rechtschreibprogramm kennt das Wort nicht einmal mehr.) Doch geblieben ist vom ehemaligen Kanzler sein Diktum, dass alles sehr kompliziert sei. Womit er natürlich recht hatte. Und es ist ja auch nicht das Schlechteste für einen Politiker, wenn er mit einem Satz ins Gedächtnis eingeht, wie Ludwig XIV. mit „L'état, c'est moi“, Wilhelm Molterer mit „Es reicht“ oder George Bush mit „Read my lips“.

Oder Angela Merkel mit „Wir schaffen das“: Sie sagt das gern und oft, vielleicht sogar „gebetsmühlenartig“, wie Henryk M. Broder in der „Welt“ schreibt. Er sieht diesen affirmativen Slogan seiner Kanzlerin als Variation eines DDR-Plakatspruchs aus dem Jahr 1981: In einer kleinen Serie sagte ein Soldat „Das schützen wir!“, ein Bergmann „Das packen wir!“ und eine Bäuerin „Das schaffen wir!“ Letztere trug eine Bubikopffrisur wie Merkel, was Broder daran erinnert, „dass die Kanzlerin in der DDR sozialisiert wurde“. Entsprechend interpretiert er ihre Politik als „späte Rache der DDR an der Bundesrepublik Deutschland“.

Das finde ich boshaft. Wer in den vergangenen beiden Jahrzehnten in Verbindung mit Kindern, vor allem mit Buben, stand, hört Merkels Sprüchlein anders: „Yo, wir schaffen das“, sagt Bob der Baumeister, der Held einer TV-Comicserie, seit 2001. Er trägt blaue Latzhose, kariertes Hemd und gelben Helm, er befehligt eine kleine Truppe sprechender Baumaschinen. Im englischen Original heißt er „Bob the Builder“ und sagt „Yes we can“. Das hat er bzw. der Drehbuchautor sich von der US-Landarbeitergewerkschaft abgeschaut, die 1972 „Sí se puede“ rief. Ob Barack Obama direkt davon oder von Bob inspiriert war, sollen spätere Biografen klären, er verwendete den Spruch jedenfalls am 8. 1. 2008 quasi als Refrain einer Wahlkampfrede, und seither immer wieder.

Die deutsche Übersetzung, sei es aus dem Munde von Bob oder Angela, hat den zusätzlichen Reiz, dass das Wort „schaffen“ im Deutschen mehrdeutig ist: Vor allem im Alemannischen heißt es auch arbeiten („Schaffe, schaffe, Häusle baue“), in bayrischen Dialekten auch befehlen, im Sinn von anschaffen. Darunter versteht man wiederum anderswo das (oft ehrenrührige) Besorgen von Geld: Wenn ein Berliner sagt, dass eine Frau anschafft, meint er etwas ganz anderes als ein Wiener.

Der gebürtigen Hamburgerin Merkel, die so gern die schwäbischen Hausfrauen preist, sollte man nur edle, hilfreiche und gute Absicht attestieren, wenn sie „schaffen“ sagt. Und man darf ohne Häme an den Schaffner denken, der in der Eisenbahn die Fahrscheine kontrolliert. In meiner Jugend auch noch in der Straßenbahn, mit einer Zwickzange. Wir hatten damals nicht parat, dass der Schaffner ursprünglich der Vermögensverwalter eines Gemeinwesens und die Schaffnerin eine Gehilfin der Hausfrau mit Schlüsselgewalt über Küche und Keller war, also lachten wir, wenn in einer alten Nachdichtung der Odyssee von Eurykleia als „greiser Schaffnerin“ die Rede war . . .

Wenn dereinst zu einem hohen Geburtstag Angela Merkels einem Gratulanten dieses Wort einfallen sollte, er wird es respektvoll meinen.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2015)

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